Ludwig van Beethoven

Complete Symphonies

Laura Aikin (Sopran), Ingeborg Danz (Alt), Maximilian Schmitt (Tenor), Tareq Nazmi (Bass), WDR Sinfonieorchester, wDR Rundfunkchor, NDR Chor, Ltg. Jukka-Pekka Saraste

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Edition Günter Hänssler
erschienen in: das Orchester 09/2019 , Seite 62

Es gibt viele gute Gründe, die neun Beethoven-Symphonien komplett aufzunehmen. In diesem Fall: Das WDR Sinfonieorchester beging 2017 sein siebzigjähriges Gründungsjubiläum und begann seine Gesamtaufnahme zu diesem Zeitpunkt. Und sein Chefdirigent, der das Orchester nun nach fast zehn Jahren verlassen wird, krönt seine Arbeit sicher bewusst und gern mit diesem Projekt. Die Aufnahmen fanden in zwei Wochenblöcken Ende 2017 und Anfang 2018 in der Kölner Philharmonie statt.

Angesichts dieses symphonischen Hochgebirges kann es kein Richtig oder Falsch geben. Abgesehen von den selbstverständlichen spieltechnischen Voraussetzungen gibt es viele berechtigte Interpretationsansätze. Und das Spektrum der Möglichkeiten ist belegt durch zahllose Gesamtaufnahmen. Der exquisite Rang des WDR-Orchesters steht außer Frage; das Ensemble ist auf allen Positionen hervorragend besetzt, seine Spielkultur hat sich in den zehn Jahren mit Saraste noch gesteigert. Er meistert die Symphonien mit einem schlüssigen Gesamtkonzept, indem er sich ihnen eher von der rein musikalischen Seite her nähert, also weniger die weltanschaulich-außermusikalische Komponente akzentuierend, ohne sie allerdings zu negieren.

So klingt etwa die Fünfte nicht vorrangig schicksalsdräuend, sondern lässt vor allem ihre rein musikalischen Qualitäten aufleuchten. Gleiches gilt für die anderen Symphonien mit außermusikalischen Akzenten: die Eroica, die Pastorale und die Neunte. Und das Kunststück gelingt: sie bewahren gleichwohl ihr symphonisches Gewicht, jedoch nicht durch Auftrumpfen, sondern durch minutiöses Feilen an der kompositorischen Struktur.

Saraste neigt insgesamt zu schnellen Tempi, die jedoch nie überzogen oder gehetzt wirken. Andererseits lässt er langsame Sätze mit großer Gelassenheit strömen (4. und 9. Symphonie). Und im Allegretto der Siebenten gelingt ihm das Kunststück des „richtigen“ Tempos: zügig und doch atmend und voller klanglicher Wärme. Saraste hat seine Aufnahmen offensichtlich bis in feinste Details vorbereitet. So fällt immer wieder die feinsinnige Ausdifferenzierung der Dynamik auf, mit organischen Schwerpunktsetzungen in den melodischen Spannungsbögen und in der sorgsamen Abstimmung der Instrumentierung.

Ein Vorzug dieser Aufnahmen ist, dass sie die häufig unterbewertete beethovensche Orchestrierungskunst ins rechte Licht rückt. Beeindruckend ist die Balance zwischen höchster Orchestervirtuosität und gleichzeitiger Freiheit des Musizierens. Das spürbare Selbstbewusstsein des Orchesters kommt den Intentionen seines Dirigenten dabei offensichtlich entgegen.

Insgesamt also kann diese neue Aufnahme bestens im verfügbaren Angebot bestehen. Die beiden Chöre und auch die Solisten fügen sich in das Konzept ein.

Arnold Werner-Jensen