Schumann, Robert

Complete Symphonic Works Vol. VI

WDR Sinfonieorchester Köln, Ltg. Heinz Holliger

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite 97.705
erschienen in: das Orchester 11/2016 , Seite 66

Alles kommt irgendwann einmal heraus… Mit dieser Binsenweisheit könnte man auch die Bemühungen der verschiedenen, international aktiven Klassiklabels begrüßen, die in der Schatzkiste der Komponisten-Vergangenheit graben und graben. So auch in diesem Fall: Heinz Holliger und das WDR Sinfonieorchester Köln widmen sich der Gesamtausgabe aller Schumann’schen Orchesterwerke. Konkret bei dieser CD handelt es sich um die Ouvertüren Manfred, Szenen aus Goethes Faust, zu Goethes Hermann und Dorothea, zu Genoveva, zu Schillers Braut von Messina und zu Shakespeares Julius Caesar sowie um die sogenannte „Zwickauer“, die Symphonie in g-Moll WoO 29.
Es ist schon eine besondere Art, Ouvertüren ohne eine folgende Oper (oder ein Singspiel usw.) zu schreiben. Robert Schumann kann dies. Und erweist sich als bildhaft-figural, ebenso geradezu visionär inspirierter Komponist. Es ist die Magie der Ideen, die er in diesen kurzweiligen, dankbaren und substanziellen Orchesterminiaturen kombiniert, auslotet, dabei immer wieder erneuert. Diese Stücke besitzen „Charakter“ – aber handelt es sich tatsächlich um Charakterstücke? Das wäre vielleicht zu weit gegriffen.
Was all diese „Schumänner“ auszeichnet, ist die Unverbrauchtheit der Mittel, der melodische Fluss und die (scheinbare) Gelassenheit, mit der der Komponist den großen Themen (wie bei Goethe oder Shakespeare) begegnet. Schumann schrieb Musik, die respektvoll, dennoch eigenständig mit den literarisch-dramatischen Vorgaben umgeht, bestens zum Anhören und zum Vertiefen geeignet. Er war übrigens selbst regelrecht begeistert von seinem individuellen Projekt, zu Trauerspielen seiner Dramenkollegen wie Byron, Hebbel, Schiller oder Goethe u.a. „große“ Musik zu notieren. Das teilte er Clara Wieck mit. Aber das ist ihm insgesamt auch gut gelungen. Schließlich wollte Schumann nur die „Tonlagen“ der jeweiligen Stücke erfassen und für sich auswerten. Manfred, dieser Anti-Held, der sich gegen die Götter auflehnt, darf als Modell herangezogen werden.
Diese „freien“ Ouvertüren entstanden in der starken Schaffenszeit des Komponisten, nach 1845. Dagegen handelt es sich bei der g-Moll-Symphonie um ein Jugendwerk: Ein Talent entwickelt sich, könnte man als Motto über dieses Fragment setzen. Schumann war zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre jung. Er hat die „Zwickauer“ nach jeder Aufführung eigentlich umgestaltet – er war sich wohl unsicher, ob die Symphonie für die Nachwelt taugte. Hört man sie heute, wird einem die dichte Nähe zu Schubert bewusst.
Der vielseitige Musiker Heinz Holliger ist als Dirigent ein kenntnisreicher Schumann-Exeget, der zusammen mit dem Maßstäbe setzenden WDR-Orchester alles zum Leuchten, Glühen und Brillieren bringt, was der Komponist anstrebte: einfach schöne Musik aus dem Geist der pulsierenden und aktuellen Romantik, ungebrochen, aber nachhaltig reflektiert.
Mit dieser CD ist der Schumann-Zyklus des WDR-Ensembles abgeschlossen.
Jörg Loskill

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