Grieg, Edvard

Complete Symphonic Works, Vol. I/II

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite SACD 92.651/92.579
erschienen in: das Orchester 01/2012 , Seite 68

Mit den ersten beiden Folgen der Gesamteinspielung aller sinfonischen Werke Edvard Griegs ist dem CD-Label Audite ein Auftakt gelungen, der viel für die Zukunft verspricht. Unter der Leitung des jungen norwegischen Dirigenten Eivind Aadland musiziert das WDR Sinfonieorchester Köln mit beachtenswerter Spielfreude und fern jeder wunschkonzerttauglichen Routine. Damit unterstreicht das Orchester nicht nur seinen augenblicklich hohen Musizierstandard, sondern auch seine Flexibilität: Denn mit seinem neuen Chefdirigenten Jukka-Pekka Saraste hat es eine hochklassig musizierte, emotional ebenso packende wie die Form nachzeichnende Sicht auf Mahlers Neunte (Profil Hänssler CD PH 10035) vorgelegt, aber auch bei selten zu hörenden Violinkonzerten von Hans Pfitzner und Siegfried Wagner (Coviello COV 31104) seine Kompetenz bewiesen: Unter der Leitung von Markus Bosch spielt der Geiger Juraj Cizmarovic, seit 2004 Konzertmeister des WDR-Sinfonieorchester Köln, das etwas spröde Pfitzner-Konzert ebenso ansprechend wie das mehr virtuos-eingängige von Siegfried Wagner mit großem Nachdruck.
Die Qualität der Grieg-Einspielungen – auf Vol. I finden sich die beiden Peer Gynt-Suiten und die Symphonischen Tänze op. 64, auf der zweiten Werke für Streichorchester wie Aus Holbergs Zeit, Zwei elegische Melodien op. 34 oder Zwei Melodien op. 53 und Zwei nordische Weisen op. 63 – beruht auf der Frische des Zugangs des Dirigenten, der Griegs Musik ebenso packend wie fein ziseliert im Detail nachzeichnen lässt. Unterstützt wird er dabei von der sehr auf plastische räumliche Abbildung und ein weites dynamisches Spektrum achtenden Aufnahmetechnik. Das WDR-Orchester folgt dem mit einem bei aller Durchhörbarkeit klangvollen Streicherapparat, geschmeidigen Holzbläsern und machtvollem Blech.
Eivind Aadland, von 2003 bis 2010 Chefdirigent des Trondheimer Sinfonieorchesters, wurde ursprünglich als Geiger ausgebildet und hat als junger Instrumentalist Griegs Violinsonaten in dessen Villa in Troldhaugen bei Bergen gespielt. Aadland betont bei seinen Grieg-Einspielungen folkloristische Elemente, wie beispielsweise bei den Symphonischen Tänzen, die auf originalen Volksliedern basieren, deren rhythmische Eigenheiten hier ebenso herausgearbeitet werden wie der Klang der Streicher von übermäßigem Vibrato „gereinigt“ wird. Selbst bei den beiden so populären Orchestersuiten zu Ibsens Peer Gynt lassen sich immer wieder neue Details entdecken, überrascht die Kraft des Musizierens der Kölner Musiker. Wie delikat die Holzbläser-Naturlaute in der Morgenstimmung erklingen, gibt dem Stück ungeahnte Nuancen. Dass Aadlund dabei nie Emotionalität mit Sentimentalität verwechselt, ist ein weiteres Plus der CD.
Auf Vol. II musiziert der norwegische Dirigent nur Werke für Streichorchester, denen er, im Gegensatz zu manch etwas anämisch klingenden Einspielungen mit Kammerorchestern, eine die Transparenz stets achtende Fülle verleiht. Wie liebevoll im Detail, dabei an Elan nicht sparend die WDR-Streicher auch hier agieren, lässt für die geplanten weiteren drei Folgen der Grieg-Einspielung mit dem WDR Sinfonieorchester Köln und Eivind Aadland viel hoffen.
Walter Schneckenburger