Johannes Brahms

Complete String Quintets

Mandelring Quartett & Roland Glassl (Viola)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite 97.724
erschienen in: das Orchester 05/2017 , Seite 70

Mit dem Streichquintett F-Dur op. 88 aus dem Jahr 1882 und dem 1890 geschaffenen G-Dur-Quintett op. 111 knüpft Johannes Brahms an einen gescheiterten Versuch in dieser Materie aus den 1860er Jahren an. Sein G-Dur-Quintett op. 34 machte nach der ursprünglichen und wieder verworfenen Streicherfassung (mit zwei Celli nach dem Vorbild Schuberts) eine Metamorphose zum Klavierduo und dann schlussendlich zum Klavierquintett durch. In den zwei späten Quintetten, die er beide in Bad Ischl komponierte und die von der idyllischen Landschaft des Salzkammerguts inspiriert worden sein sollen, hat Brahms zwei Bratschen vorgesehen.
Das Mandelring Quartett hat für seine neue Einspielung beider Werke den Bratscher Roland Glassl hinzugezogen; er ist dem Ensemble wohlvertraut: Glassl war bis 2015 über den Zeitraum von 16 Jahren Mitglied des Mandelring Quartetts gewesen, beste Voraussetzungen also für eine gelungene Einspielung. Und die stimmige Balance, die klangliche Homogenität und die analytische Durchsichtigkeit, die die Interpreten in beiden Quintetten erreichen, sind Ergebnis eben dieser Vertrautheit miteinander, mit Roland Glassl, wie auch bereits schon jetzt mit Andreas Willwohl, dem neuen Ensemblemitglied an der Bratsche.
Das spürt man ganz besonders im Kopfsatz des G-Dur-Quintetts, in dem sich das Cello mit seinem sanglichen Thema gegen die forte zu spielende Terzfiguren-Schraffur der übrigen Streicher zu behaupten hat. Nichts geht verloren vom vollgriffigen Zugriff der Violinen und Bratschen, und doch bleibt das Cello hier im Fokus des in sich völlig ausgeglichenen klanglichen Geschehens. Faszinierend, wie das Ensemble im weiteren Verlauf dieses Satzes die Kunst des feinfühligen Andeutens von Atmosphäre und Ausdruckssphäre beherrscht, wie geschmeidig die Interpreten beschauliches Verweilen und druckvolles Vorwärtsdrängen miteinander in einen ausgewogenen Duktus zu verweben verstehen. Lebendig und schlüssig wissen sie die musikalische Vielgestaltigkeit des Adagio zu verklammern, und die aufgerauten Bewegungsmuster des dritten Satzes bringen sie in eine biegsame Form voller Eleganz. Dicht und dringlich gehalten und dennoch sehr transparent aufgefächert
klingt der Finalsatz, der selbst in der Schlussstretta noch Maß und Kontrolle wahrt.
Im F-Dur-Quintett scheint das Ensemble das leidenschaftliche Element, das dem Kopfsatz innewohnt, zugunsten einer mehr verhaltenen Emotionalität etwas zurückdrängen zu wollen. Auch das Geheimnisvolle, das Brahms hier angelegt hat, wird eher etwas nüchtern betrachtet. Dem schwer und lastend aufgefassten melancholischen Moment zu Beginn des zweiten Satzes (Grave ed appassionato) lassen die Interpreten ein betont tänzerisch, leichtfüßig und dynamisch hoch sensibel aufgeschlüsseltes Allegretto vivace folgen. Der Finalsatz besticht mit einer superben tonlichen Klarheit und Durchsichtigkeit, wobei im packenden Zugriff niemals etwas überdreht erscheint, aber auch die Ausführung der Unisonopassage im Schlussteil jedweden Anflug von Simplizität weit von sich weist.
Thomas Bopp