Schostakowitsch, Dmitri
Complete String Quartets
Vol. I-III
Neun der insgesamt fünfzehn Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch hat das seit 1997 bestehende Mandelring Quartett beim deutschen Label Audite inzwischen eingespielt. Obwohl keiner streng aufsteigend arithmetischen Zählung folgend, fehlen mehr oder weniger zufällig noch die sechs späten Werke, welche hoffentlich in nächster Zeit auf den Markt kommen werden. Es lohnt sich jedoch allemal, die bereits verfügbaren aufmerksam und staunend anzuhören. Dass Quartett spielen für Sebastian und Nanette Schmidt (1. und 2. Violine), Roland Glassl (Viola) und Bernhard Schmidt (Violoncello) in der Tat ein ersehnter Traumberuf ist, das hört nicht nur der interessierte Schostakowitsch-Liebhaber bereits nach den ersten Takten: Der sympathische, durchsetzungswillige Klang, die ausgewogen-homogene Spielkultur, der aparte, feinsinnig-transparente, aber wenn nötig auch markant-intensive und leidenschaftlich-spannungsreiche oder gar zornige Strich sowie eine exzellente Perfektion reinsten Wassers in technischer wie in rhythmisch ausgefeilter Hinsicht sind das unverkennbare Markenzeichen dieses meisterhaften Ensembles.
Jede Aufnahme, ja, jedes Werk ist für sich ein atmosphärisches Erlebnis mit oft wechselnden, tiefgründigen Seelenbädern, die Intention des Komponisten und den jeweiligen Stil berücksichtigend und nachempfindend: Ein sardonisches Lächeln, wenn Groteske gefragt ist, tief empfundene Trauer, wenn seelischer Schmerz verlangt wird, und die entweder ins Nichts verhallenden sphärischen, in eine tiefe Resignation verfallenden oder wild-packenden bis schwitzenden Schlüsse können schon Atemnot erzeugen. Kurzum: Hier wird moderne Kammermusik von unverbrauchter Frische vom Feinsten geboten. Das Mandelring Quartett kann sich mit dem legendären, fast alle Schostakowitsch-Quartette uraufführenden und einspielenden, russischen Beethoven-Quartett auf gleicher Augenhöhe durchaus messen und übertrifft dieses in mancher Hinsicht sogar, was die bestürzende Kühnheit der klaren Umsetzung angeht.
Man kann die vier jungen Künstler auch optisch bewundern: Bei der zweiten CD mit den Streichquartetten Nr. 3 in F-Dur op. 73, Nr. 6 in g-Moll op. 101 und Nr. 8 in c-Moll op. 110 findet sich eine etwa 15-minütige DVD, auf der sich das Mandelring Quartett u. a. mit Franz Schuberts Streichquartett d-Moll D 810 Der Tod und das Mädchen musikalisch vorstellt und sich mit einem kurzen Einblick in sein zufrieden wirkendes Umfeld selbst porträtiert. Bleibt zu hoffen, dass die beiden nachfolgenden CDs mit den noch fehlenden Streichquartetten 10 bis 15 in ebenso exzellenter Aufnahmetechnik und ebenso fesselnd und bestechend wie überzeugend daherkommen.
Werner Bodendorff