Beethoven, Ludwig van
Christus am Ölberge
Der Werbeeffekt mit dem Namen eines Startenors wie Plácido Domingo ist sicher groß. Vielleicht gerade dann, wenn er sich auf ein fachfremdes Gebiet begibt wie bei Ludwig van Beethovens selten zu hörendem Oratorium Christus am Ölberge. Dieser 1803 entstandene Solitär im Werk des Komponisten, bei dem es Beziehungen zur Eroica, aber auch zu Fidelio gibt, verlangt einen ausdrucksstarken Tenor, der die Zweifel und die Leiden Christi im Garten Gethsemane musikdramatisch umzusetzen weiß. Das Ergebnis der Verpflichtung Domingos ist aber mehr als nur zwiespältig. Der inzwischen doch in die Jahre gekommene Künstler ist in der Partie des Jesus überfordert. Zwar hat Domingo sich mit einigem Erfolg im Wagner-Fach bewährt, doch sein Kampf mit der deutschen Aussprache ist auf der Opernbühne sicher leichter zu akzeptieren als bei der Einspielung eines Oratoriums. Hier wirkt vieles doch eher unfreiwillig komisch. Ansonsten kann sein Tenor mit einer noch immer tragenden, bronzen getönten Mittellage aufwarten, über der sich eine inzwischen hart-grobkörnige Höhe mit einigen Mühen erhebt. Die Zweifel Jesus, aber auch die dramatischen, an Florestan erinnernden Ausbrüchen liegen Domingo interpretatorisch eher, zu einem überzeugenden Gesamtbild will sich seine Leistung indes nicht fügen.
Besser passt da schon der Sopran von Luba Organasova in das Gesamtbild. Ihre leicht geführte Stimme leidet aber gelegentlich unter Intonationsunsicherheiten, das Höhenvibrato ist nicht immer kontrolliert genug, auch wenn ihre Ausdrucksstärke sowie die Beweglichkeit des Soprans von Vorteil sind. Als dritter im Bund überzeugt Andreas Schmidt durch seine Solidität und Sicherheit.
Kent Nagano am Pult des sehr diszipliniert musizierenden Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin bevorzugt ein breit aufgefächertes, warmes Klangbild, das auf etwas pauschale Klangfülle hin ausgerichtet ist. Geschmeidig agieren die Holzbläser, das Blech ist strahlend. Dennoch wirkt das Musizieren gelegentlich etwas zu einförmig, zu sehr auf Schönklang hin ausgerichtet. Dies gilt auch für den eher kompakten, in allen Stimmen gleichmäßig sicher besetzten Rundfunk Chor Berlin, den Simon Halsey einstudiert hat.
Infolge der problematischen Sängerbesetzung ist die erste Zusammenarbeit von Kent Nagano mit dem Label Harmonia mundi, die als Hybrid-SACD veröffentlicht wurde, eher zwiespältig ausgefallen. Ganz und gar nicht in die heutige Zeit will zudem eine recht mickerig geratene Laufzeit von unter 48 Minuten passen.
Walter Schneckenburger