Schoeck, Othmar

Chorwerke / Choral Music

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Claves 50-2701
erschienen in: das Orchester 03/2008 , Seite 61

Als Liedkomponist ist er sicherlich bekannt, der Schweizer Komponist Othmar Schoeck, doch dass er auch eine ganze Reihe von Chören komponiert hat, dürfte wohl weniger bekannt sein. Geliebt hat Schoeck diese Sparte nicht unbedingt, aber als er zu Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Lebensunterhalt mit Chordirigaten bestreiten musste, blieb ihm nichts anderes übrig, als Musik für Chöre zu schreiben. Das Label Claves hat eine Auswahl dieses Werkspektrums auf CD veröffentlicht (als „World Premiere Recordings“), und wer sich diese 75 Minuten mit begleiteter und unbegleiteter Chormusik angehört hat, wird zunächst einmal überrascht sein – überrascht über die stilistische Bandbreite, die der Schweizer in diesen Werken ausgelotet hat. Dies reicht von den frühen, noch ganz in romantischer Tradition stehenden Werken wie Postillon oder Vision über die aufbegehrenden und sozialkritisch-angehauchten Töne der Trommelschläge oder der Maschinenschlacht zu Markig-Patriotischem (Wegelied, Zimmerspruch) oder gar Schlichtem (Spruch, Einkehr). Einen Höhepunkt bringt die Kantate aus dem Jahr 1933, die ironische Züge aufweist und deren Text über die „neuen Rattenfänger“ durchaus politisch zu verstehen war.
Neben der musikalischen Substanz der auf der CD eingespielten oder besser „eingesungenen“ Werke beeindruckt die interpretatorische Leistung: Der MDR-Rundfunkchor zählt zweifellos zu den herausragenden großen Vokalensembles in Deutschland. Othmar Schoeck fordert in diesen Werken den Choristen das Äußerste ab, aber der MDR-Chor bleibt an klanglicher Kompaktheit wie Zartheit, an klaren Spitzentönen, an Intonationssicherheit und Ausdruckskraft nichts schuldig – sei es als gemischter Chor oder aufgespalten in Frauen- und Männerchor. Mario Venzago steht in den orchesterbegleiteten Sätzen an der Spitze des Chors; dabei gelingt es ihm, bei aller klanglichen Opulenz auch des begleitenden MDR-Sinfonieorchesters den Vokalpart transparent aus dem Gesamtklang herauszumodellieren.
Die beiden Solisten Martin Homrich (Tenor) und Ralf Lukas (Bass-Bariton) passen sich in das Gesamtensemble trefflich ein. Dass es einem als Zuhörer manchmal vor lauter Expressivität und Wucht schier den Atem verschlägt, wie im einleitenden Trommelschläge, sei nicht unerwähnt. Der Chor versteht sich aber auch auf die feinen Nuancen, wenn er, unter der Leitung seines langjährigen Leiters Howard Arman, nur mit Orgel- oder Klavierbegleitung bzw. a cappella die gedämpfteren Töne der Chorwerke anschlägt: Das ist, wie im Männerchor Die Drei, Ausdruckskunst vom Feinsten – beeindruckend, wie die gesamte CD.
Wolfgang Birtel