Ogermann, Claus

Chorlieder

nach Texten von Georg Heym

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Aulos AUL 66003
erschienen in: das Orchester 09/2005 , Seite 93

Claus Ogermann ist Jahrgang 1930 und war im Nachkriegsdeutschland sehr erfolgreich als Komponist von Filmmusik für Heimatfilme. Zudem arbeitete er in der „gehobenen Unterhaltungsmusik-Szene“, wie das CD-Booklet freizügig berichtet. Doch Claus Ogermann spürte auch einen Hang zum „Höheren“ in sich und komponiert seit den 70er Jahren Musik, die an ältere, klassische Traditionen anknüpft. Er vertonte Texte von Tagore und Heym (1887-1912) und schuf Solokonzerte. Eine Aufnahme der Vertonung von ausgewählten Heym-Liedern des WDR-Chores unter Herbert Schernus von 1985 ist nun bei Aulos erschienen.
Aus Heyms expressionistischem Werk stellte sich Ogermann sehr poetische und schöne natur- und landschaftsbezogene Gedichte zusammen, die aber heute keine Aktualität mehr besitzen. Nur sehr mühsam kann die Kraft etwa einer Textzeile wie: „Das Jahr geht zuende. Und kleine Tage sind viel verstreut wie Hütten in den Winter“, aus Heyms Vorkriegs-Deutschland für Menschen im ausgehenden 20. oder beginnenden 21. Jahrhundert verstehbar gemacht werden. Ähnlich unzeitgemäß ist die Musiksprache gewählt. Wie beim Arrangieren von Songs oder in seiner Filmmusik strebt Ogermann in den Heym-Liedern nicht eigenes Neues an. Bei einer relativ geringen musikalischen Ereignisdichte bietet der Zyklus Harmonie-, Rhythmus- und Melodieschemata, die über Hugo Distler nicht wesentlich hinausgehen.
Herbert Schernus, der langjährige Chorbildner des WDR-Chores, ließ seine Sänger flächig und breit im homofonen Satz agieren. Eine bessere Textverständlichkeit wäre den komplexen Texten zu wünschen. Schernus’ langjährige Verdienste um den Kölner Rundfunkchor müssen hervorgehoben werden: Er leitete den Chor von 1962 bis 1989. Ein heute üblicher schlanker Chorklang, wie er erst in den 90er Jahren wirklich flächendeckend zum Standard des deutschen Chormusizierens wurde, fehlt aber in dieser Aufnahme noch. Eine klare, moderne Transparenz hätte vielleicht bei einer Neueinspielung das ein oder andere Ogermann’sche Heym-Lied retten können.
Das Festhalten an veralteten kompositorischen Traditionen mag zum Zeitpunkt der Entstehung der Lieder als „postmodern“
geadelt worden sein, doch in
der Ogermann’schen Umsetzung wirkt dieser Traditionalismus epigonenhaft und unaktuell.
In Auswahl können einige der Lieder im chorischen Alltag auch für Laienchöre eine Repertoire-Ergänzung bieten, doch die CD macht nicht neugierig auf weitere „ernste“ Kompositionen von Claus Ogermann, wohl aber auf eine erneute Lektüre des schmalen Schaffens Georg Heyms.
Katharina Hofmann

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