Gerald Barry

Chorale

for ensemble, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, London
erschienen in: das Orchester 06/2018 , Seite 63

„Barrys Welt besteht aus scharfen Kanten, aus exakt definierten, aber absolut unberechenbaren musikalischen Einheiten. Seine Musik ist einzigartig mit ihrer diamant­artigen Härte, ihrem Humor, und manchmal auch ihrer Gewalt.“

„Barrys Welt besteht aus scharfen Kanten, aus exakt definierten, aber absolut unberechenbaren musikalischen Einheiten. Seine Musik ist einzigartig mit ihrer diamant­artigen Härte, ihrem Humor, und manchmal auch ihrer Gewalt.“
So urteilt der “Guardian” über die Musik des irischen Komponisten Gerald Barry (*1952), der Schüler von Kagel und Stockhausen war. Diese Beschreibung trifft sicherlich auch auf sein Werk “Chorale” zu, das nun im Schott-Verlag erschienen ist. Diese Edition enthält eine Par-titur sowie Einzelstimmen für alle sechs Instrumente. Das rund vierminütige Werk wurde im August 2017 vom irischen Crash-Ensemble im Cahergal Stone Fort uraufgeführt. Es handelt sich dabei um ein rund 2700 Jahre altes irisches Nationaldenkmal, eine massive ringförmige Steinmauer mit 25 Metern Durchmesser.
Das Stück besteht aus drei Wiederholungen desselben Choral-Blocks, der aus 18 gleich langen For­tissimoakkorden besteht. Die dafür vorgesehenen Instrumente zeichnen sich durch eine spannende Zusammensetzung aus: Neben E-Gitarre und E-Bass schreibt der Komponist noch eine Posaune, eine B-Klarinette und eine Viola vor. Er weist darauf hin, dass es sich dabei um die Instrumentation der Uraufführung handelt, die jedoch prob-lemlos durch andere Instrumente mit ähnlicher Tonhöhe ersetzt werden kann. Dafür ist es eine Hilfe, dass die Partitur in C notiert ist und so z.B. die Stimme der B-Klarinette mühelos auf andere Instrumente übertragen werden kann.
Vor, zwischen und nach diesen drei Choralteilen erklingen eine variierende Anzahl an Paarbecken-Schlägen im Fortissimo. Dieses Instrument soll im Gegensatz zur rest-lichen Besetzung nicht durch ein anderes ersetzt werden.
Musikalisch gesehen entspricht der durchgehende Fortissimo-Charakter des Stücks wohl genau der im Eingangszitat angesprochenen „diamantenen Härte“. Über die penetranten Repetitionen deutet sich die ebenfalls dort erwähnte Gewalttätigkeit an. So erklingen zwischen dem mittleren und letzten Choralblock nicht weniger als 29 Beckenschläge. Elementar erscheint deshalb eine angemessene und überzeugende optische Präsentation des Werks. Barry gibt dafür die Vorgabe, dass die Becken nach jedem Anschlag „hoch in die Luft zu halten“ sind. Selbstverständlich finden sich ergänzend dazu noch weitere kreative Gestaltungsmöglichkeiten – wie beispielsweise, die Musiker flexibel im Raum zu verteilen. Eine weitere Idee könnte die Dopplung von Inst-rumenten sein, sodass beispielsweise die Beckenschläge abwechselnd aus verschiedenen Richtungen erklingen.
Dank der flexiblen Besetzungen und der überschaubaren Länge ist es durchaus vorstellbar, dass sich mit dem Stück verschiedenste Konzertformate bereichern lassen. Aufgrund der beschriebenen Lautstärke macht es jedoch Sinn, das Werk wie schon bei der Uraufführung am ehesten bei Open-Air-Anlässen zu spielen. Ansonsten kommen aber auch groß dimensionierte Konzertsäle oder experimentelle Aufführungsorte wie z.B. Industriehallen in Frage.
Stefan Landes