Tomaszewski, Mieczyslaw

Chopin

Ein Leben in Bildern

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2009
erschienen in: das Orchester 05/2010 , Seite 64

Ein dokumentenreicheres Buch zum Chopin-Jahr als Mieczyslaw Tomaszewskis Chopin – Ein Leben in Bildern ist kaum zu erwarten. Der Autor, der Klavier studiert hat und über die Chopin-Rezeption promoviert wurde, ist Professor an der Akademie für Musik in Krakau. Bei Laaber ist von ihm schon Chopin und seine Zeit erschienen. An genauer Fachkenntnis mangelt es ihm sicher nicht, dennoch stehen die Bilder, Fotografien und Dokumente in diesem im wahrsten Sinn des Worts gewichtigen Band im Vordergrund. Es ist ein optisches wie haptisches Vergnügen, das Buch in die Hand zu nehmen. Die Fülle des in bester Druckqualität vorgestellten Bildmaterials – seien es zeitgenössische Darstellungen von Chopin, Zeichnungen und Gemälde, die den großen polnischen Komponisten und Pianisten ebenso zeigen wie seine Eltern, Freunde, die Frauen (Konstancja Gladkowska, Maria Wodzinska, George Sand), die er liebte, all die bedeutenden Zeitgenossen, mit denen er in Beziehung stand –, aber auch viele Autografen oder wichtige Druckausgaben: Die hier versammelte thematische Breite des Materials dürfte selbst für ausgewiesene Kenner der Materie manch Neues bringen.
Neben der Vielzahl der zeitgenössischen Zeugnisse sind aber auch die mannigfaltigen stimmungsvollen Fotografien eindrucksvoll, die die Orte im heutigen Zustand zeigen, wo Chopin wohnte, lebte, konzertierte, Freunde besuchte oder sich – besonders in den Jahren, bevor er sich in Paris niederließ – auf Reisen befand. Auch wenn sich Chopin später bei seinen Aufenthalten bei George Sand in Nohant gelegentlich abwertend über das Landleben äußerte, die Schönheiten der polnischen Landschaft, die in diesem repräsentativen Band eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, dürften den jungen Chopin geprägt, auch gelegentlich musikalisch inspiriert haben. Aber auch was von der Aura der historischen Orte Warschau, Breslau oder Krakau auf modernen Fotografien transportiert wird, kann die Begeisterung des jungen Chopin nachvollziehbar machen. In der Gegenüberstellung von historischen Zeichnungen, Drucken und Bildern der Gegenwart wird diese Faszination noch spürbar. Alle Lebensstationen, aber auch einschneidende Ereignisse wie der Warschauer Aufstand von 1830, nach dem Chopin nie wieder nach Polen zurückkehrte, sind so ausführlich dokumentiert.
Die Bilderflut dieses Lebenswegs in 19 Stationen schiebt sich etwas vor den Text von Mieczyslaw Tomaszewski. Dabei ist er ein genauer Kenner der Materie, auch wenn der bisweilen etwas zu emphatische Ton nationalem Überschwang geschuldet sein mag. Bei aller Fakten- und Dokumentenvielfalt gelingt es ihm indes nicht, eine so differenzierte, bisweilen auch kritische Charakterstudie von Chopin zu zeichnen, wie es Gesine Baur in ihrer Biografie Chopin oder die Sehnsucht (C.H. Beck) mit beachtlichem psychologischen Spürsinn geschafft hat. Dennoch ist der Band von Mieczyslaw Tomaszewski eine Fundgrube nicht nur für Chopin-Interessierte, sondern für alle Leser, die sich für das Musikleben zwischen 1830 und 1849 interessieren.
Walter Schneckenburger