Corea, Chick
Children’s Songs
Jazzklassik oder Klassikjazz? Die Grenzen sind aufgehoben bei den 1984 geschriebenen Childrens Songs von Chick Corea. Er selbst hat die zwanzig kurzen Stücke einmal selbst aufgenommen in der originalen Solo-Fassung für Klavier. Der große Pianist und Komponist erinnert sich zwischen seinen Jazz-Rock- und Free-Jazz-Zeiten phasenweise auch immer wieder gern an seine klassische Ausbildung. Doch auch bei seiner Klassik ist immer ein wenig Jazz-Swing dabei, so ganz kann er seine Sprache nicht verleugnen. Das ist auch so in der neu aufgelegten, von dem Vibrafonisten Thomas Schindl bearbeiteten Fassung der Kinderlieder für ein farbiges Ensemble mit insgesamt fünf Musikern.
Wir dürfen bei dem Wort Childrens Songs nicht an unsere guten alten Kinderlieder denken oder an die Kinderszenen für Klavier von dem vor zweihundert Jahren geborenen Schumann. Das sind hier schon Töne aus unserer Zeit, aber durchaus melodisch und in ihrer Schlichtheit zum Teil auch für Klavierschüler im Unterricht möglich. Bei dem Wettbewerb Jugend musiziert tauchen sie vereinzelt immer wieder einmal auf.
Hier nun also eine Fassung, bei der zum Klavier (Julia Bartha) noch eine Harfe (Angelika Siman), ein Vibrafon (Thomas Schindl) und ein Kontrabass (Holger Michalski) treten, zusammengefasst in dem ungewöhnlichen Blue Chamber Quartet. Als wichtiger Gast kommt noch Sven von Samson am Schlagzeug hinzu. Das sind alles studierte Klassiker mit auch ganz klassisch geprägten Biografien, zum Teil auch in entsprechenden Positionen tätig. Sie alle vereint aber der Wille und das Können, sich auf solche musikalischen Preziosen einzulassen, abseits der ausgetretenen Pfade. Natürlich dominiert das Klavier dabei, so war es von Chick Corea ja auch gedacht. Doch die farbliche Erweiterung wertet diese kleinen, zumeist weniger als zwei Minuten dauernden Stücke auf. Wie im Jazz auch, bekommt jedes Instrument im Rahmen der Möglichkeiten seine Soli, sodass Abwechslung und spielerische Vielfalt angesagt sind. Und man spürt überall die Lust am Musizieren, die Freude an der Umsetzung dieser Musik.
Und damit nicht genug: Zu den Stücken kommen zwanzig kleine Texte, die man im Booklet nachlesen kann, zwanzig sehr verschiedene Lebenssituationen von Kindern rund um den Globus. Sie sind nicht als Programm zu sehen, die Musik spiegelt diese Texte nicht erkennbar wider.
Es wird einem aber wieder einmal bewusst gemacht, dass es vielen Kindern auf unserer Welt nicht gut geht: Kinderarbeit, Kinderhochzeit, Beschneidung, Flucht, Angst und anderes mehr. Wie vergleichbar gering sind die Probleme der Kinder in Europa und Amerika dagegen. Die Journalistin Cathrin Kahlweit zeichnet für diese Texte verantwortlich. Insgesamt also eine sehr vielseitige, liebevoll produzierte und aufgemachte Produktion, die man gern selbst hört, die man aber auch größeren Kindern zum Hören und Lesen mitbringen kann.
Wolfgang Teubner