Bertali, Antonio

Chiacona

für Violine und Basso continuo

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Walhall, Magdeburg 2006
erschienen in: das Orchester 11/2006 , Seite 88

In der Reihe „Il Violino Concertato – Meisterwerke des Barock“ ist bei Edition Walhall eine Neuausgabe der Chiacona in C für Violine und Basso Continuo von Antonio Bertali erschienen. Bertali wurde 1605 in Verona geboren, verbrachte aber den größten Teil seines Lebens in Wien, wo er als Kapellmeister am kaiserlichen Habsburger Hof wirkte und wo er 1669 verstarb. Neben zahlreichen Sakralwerken und Opern schrieb er viel Instrumentalmusik, darunter eine große Anzahl von Sonaten, Sonatellas und Suiten für die unterschiedlichsten Streicherbesetzungen vom Trio bis zum Sextett. Mehr als die Hälfte seines umfangreichen Schaffens gilt heute als verloren. Die erhaltenen Kompositionen weisen Bertali als Meister in der Tradition der reichen, prachtvollen, klangsinnlichen frühbarocken venezianischen Schule Gabrielis aus.
Von der Chiacona existieren mehrere Fassungen und Abschriften. Die Quelle zur vorliegenden Neuedition findet sich im Erzbischöflichen Musikarchiv in Kremsier/ Olmütz. Interessanterweise plant der Verlag, demnächst eine auf einer anderen, deutschen Abschrift basierende Ausgabe des gleichen Werks folgen zu lassen.
Über den fast 160 Wiederholungen des Ostinatos entfaltet der Komponist in neun Minuten fantasievoll und ausdrucksstark die gesamte Palette der Virtuosität und Klangpracht der Musik des italienischen Hochbarocks. Staunend erleben wir einen nicht enden wollenden Strom kunstvoller Ornamente und Umspielungen, oft quasi improvisatorischen Charakters, zugleich von großer Schlichtheit wie von unvergleichlichem Charme und höchster Eleganz. Verständlich und offensichtlich, dass diese großartige Musik nicht ohne Einfluss auf etwas jüngere Zeitgenossen Bertalis – wie zum Beispiel Biber – blieb. Auch harmonisch hat Bertali einiges an Interessantem zu bieten, wie eine Analyse der Modulationskette der Variationen offenbart. Kein Wunder, dass die Chiacona sich einiger Beliebheit bei Barockgeigern erfreut, ist sie doch in der Kombination aus Display der beträchtlichen virtuosen Möglichkeiten der Zeit und geradezu überbordender musikalischer Lebensfreude ein dankbares Paradestück von erheblicher Publikumswirkung.
Die Neuausgabe des in Magdeburg beheimateten Verlags, der sich immer wieder mit großer Hingabe der Wiederentdeckung und Verbreitung auch wenig bekannter Musik der Spätrenaissance und des Barocks widmet, ist sorgfältig editiert und hält sich bis auf wenige genau dokumentierte Details streng an das Originalmanuskript. Auf jedwede Art von Vorschlägen zur praktischen Einrichtung der Parts wurde verzichtet, Bezifferungen des Generalbasses fehlen – abgesehen von den wenigen ausdrücklich im Original vermerkten Stellen – also ebenso wie Strichbezeichnungen und Fingersätze in der Violinstimme. Das Notenbild ist klar, allerdings für meinen Geschmack im Druck etwas klein und gelegentlich eng geraten.
Herwig Zack