Weiner, László

Chamber Music with Viola

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hungaroton HCD 32607
erschienen in: das Orchester 05/2010 , Seite 74

Die Namen der ungarischen jüdischen Komponisten, die von den Nazis verfolgt und ermordet wurden, sind bis heute weitgehend unbekannt geblieben: Pál Budai, Jenö Deutsch, György Justus, Sándor Kuti, Walter Lajthai-Lazarus oder Sándor Vándor sind allenfalls einer Handvoll Spezialisten ein Begriff, ihre Werke größtenteils in Vergessenheit geraten. Eine Renaissance dieser Musik (wie etwa bei der „Theresienstädter“ Gruppe um Viktor Ullmann, Pavel Haas und Hans Krása) steht bislang noch aus – und wäre doch dringend geboten, wie die vorliegende CD nachdrücklich ins Bewusstsein ruft.
László Weiner, Jahrgang 1916 (und nicht zu verwechseln mit dem sehr viel älteren Leo Weiner), war in den 1930er Jahren ein Meisterschüler von Zoltán Kodály an der Budapester Musikakademie und gab nach Meinung seines Lehrers „zu den allerschönsten Hoffnungen“ Anlass. Diese wurden freilich von den Nazis bereits im Keim erstickt: Weiners Auftrittsmöglichkeiten als Komponist, Pianist und Dirigent blieben auf die Konzerte der „OMIKE“ (des ungarisch-israelitischen Verbands für Bildung) beschränkt, 1943 wurde er ins Arbeitslager Lukov deportiert, wo er im Juli 1944 kaum 28-jährig starb.
Weiners schmales Œuvre umfasst nur ein knappes Dutzend Kompositionen. Dass sie überhaupt überlebt haben, verdanken wir nicht zuletzt Weiners enger Verbindung mit dem ungarischen Bratscher Pál Lukács, der Weiners Werke seit den späten 1950er Jahren nach und nach im Druck herausgab. Auch die vorliegenden Einspielungen gehen auf die Initiative eines Bratschers zurück: Dirk Stegemann hat zusammen mit einem Ensemble aus dem Umkreis der Rundfunkorchester aus Stuttgart und Saarbrücken vier Werke Weiners exemplarisch aufgenommen und damit nicht nur „einem Opfer des Holocaust verspätet Gehör“ verschafft, sondern auch ein eindrucksvolles Plädoyer für einen Komponisten abgegeben, der ganz sicher nicht nur in die Raritäten-Abteilung des CD-Regals gehört.
Die Stücke sind allesamt von hervorragender Qualität und lassen erahnen, welche Bedeutung Weiner für das ungarische Musikleben erlangt haben könnte. Erstaunlich ist vor allem die stilistische Entwicklung, die der junge Komponist in den wenigen Jahren seiner Laufbahn zurückgelegt hat: Von der Serenade für Streichtrio vom Sommer 1938, die noch ein wenig die Luft der Moderne um die Jahrhundertwende zu atmen scheint, spannt sich der Bogen über das Duo für Violine und Viola von 1939 (mit den deutlichsten Anklängen an Kodály und Bartók) bis hin zur dreisätzigen Bratschensonate, die in ihrer dunklen Farbigkeit bereits eine hohe Individualität zeigt. Der unverkennbar ungarische Tonfall dieser Werke ist im Tripelkonzert für Klavier, Flöte, Bratsche und Streichorchester (um 1941) dann bereits in einer beinahe neoklassizistischen Concerto-grosso-Manier aufgegangen, die nicht nur Weiners zunehmende Originalität, sondern auch sein Gespür für aktuelle kompositorische Strömungen zeigt – eine veritable Entdeckung für den Konzertsaal.
Joachim Schwarz

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