Ferdinand Thieriot
Chamber Music, Volume Two
Hamburg Chamber Players
Ferdinand Heinrich Thieriot, 1838 in Hamburg geboren und 1919 in Schwarzenbek gestorben, ist ein heute in Deutschland weitgehend vergessener Komponist der Romantik. Insofern verwundert es nicht, dass die hier vorliegenden Aufnahmen mit fünf Werken seiner Kammermusik auf dem englischen CD-Label Toccata Classics erschienen sind – von der unter dem Namen Hamburg Chamber Players firmierenden Formation eingespielt.
Ferdinand Thieriot entstammte einer hugenottischen in Leipzig ansässigen Kaufmannsfamilie. Er wurde als sehr fähiger Cellist geschätzt, vor allem im Bereich der Kammermusik, weshalb auch diese CD besonders aufschlussreich erscheint. Einer von Thieriots Lehrern war der Münchner Joseph Rheinberger und von Jugend an war er mit Johannes Brahms befreundet. Insgesamt 15 Jahre wirkte Thieriot als Direktor des Musikvereins in der steirischen Stadt Graz. Später lebte er als freischaffender Komponist in Leipzig, wo seine Werke vom Gewandhausorchester aufgeführt wurden. Arthur Nikisch dirigierte seine Sinfonietta sogar in Boston.
Ferdinand Thieriot hat eine große Anzahl von Werken hinterlassen, darunter auch eine 1898 in Leipzig uraufgeführte Oper mit dem Titel Renata sowie eine „tragische Episode“ mit dem Titel Amor und Daura. Mehr als zehn Sinfonien, daneben so genannte Sinfoniettas und Ouvertüren sowie Suiten zählen zu den vielen Orchesterwerken des Komponisten. Dazu kommen noch Solokonzerte für Violine, Bratsche, Violoncello und sogar Orgel.
Das dunkel und warm tönende Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Celli begeistert mit seinem weit ausgreifenden, oft kontrapunktisch verzahnten Melos nicht nur im mit über zehn Minuten recht umfangreichen Allegro, dem ein besonders gesanglicher Lento-Satz folgt. Das Presto startet ausgesprochen furios, um im Folgenden geradezu tänzerisch zu wirbeln. Das Schluss-Allegro wirkt vor allem dank parallel geführter Deklamationen sehr kompakt.
Die beiden Adagios werden von der Bratschistin Julia Mensching und dem Organisten Alexander Bürkle in gleichsam gemeinsamem Atem vorgetragen. Später schließt sich noch ein viereinhalb Minuten dauerndes Larghetto an, in dem sich die Melodielinien anmutig und wirkungsvoll umspinnen. Bei der Suite für drei Celli folgen auf den beherzten Beginn des Kopfsatzes Allegro giocoso auch deutlich zurückgenommene Passagen. Der Adagio-Choral rundet dieses viersätzige Stück in logischer Form ab.
Dass der Text des Booklets in englischer Sprache abgedruckt ist, stört weniger als das trotz des großen Umfangs wenig gegliederte Schriftbild. Ein tabellarischer Überblick zum Wirken von Ferdinand Thieriot wäre eine gute Ergänzung.
Günter Buhles