Busch, Adolf

Chamber Music, Volume two: Music for clarinet II

Bettina Beigelbeck (Klarinette), Busch Kollegium Karlsruhe

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Toccata Classics TOCC 0293
erschienen in: das Orchester 12/2015 , Seite 83

Kammermusik von Adolf Busch? Tatsächlich. Der legendäre Violinvirtuose, 1891 im westfälischen Siegen geboren und 1952 im französischen Vermont gestorben, hat auch komponiert. Höchst professionell sogar. Als passionierter Bach-Spieler und überragender Beethoven- und Brahms-
Interpret war der weltreisende Geiger, der gleich nach dem Ersten Weltkrieg das legendäre Busch-Quartett gründete, selbstredend kein Neutöner. Er bewahrt die Tonalität, die er allerdings modulierend ausrändert – wie sein Freund und Musizierpartner Max Reger.
Da Busch seine Solokonzerte und Kammermusik meist für befreundete Künstler schrieb, ist seine Musik praxisgerecht und spielfreudig. Viele seiner Stücke – sein Werkregister bringt es auf siebzig Titel mit Opuszahl – sind weniger fürs Konzert als für das häusliche Musizieren gedacht. Berufsmusikern prima vista zugänglich, sind sie von tüchtigen Laien mit einiger Übung zu bewältigen. Die Werkgruppe Opus 26 aus dem Jahr 1921 heißt ausdrücklich Hausmusik. Op. 26 a und b sind Duette für Violine und B-Klarinette, op. 26c Deutsche Tänze für Klarinette, Violine und Violoncello. Die Klarinettistin Bettina Beigelbeck, Yasushi Ideue (Violine) und Paula Valpola (Violoncello) musizieren Letztere so locker und leicht, dass man sie am liebsten gleich nachspielen möchte.
Die Suite d-Moll op. 37a für Soloklarinette (1926) war dem Schweizer Industriellen, Mäzen und Amateurklarinettisten Werner Reinhart zugedacht (Hindemith widmete ihm sein Klarinettenquintett op. 30, Strawinsky die Three pieces). Sie bezeugt die Bach-Verehrung des Komponisten, der nicht müde wurde, kontrapunktische Studien zu treiben. Im Übrigen sind ihm die technischen Möglichkeiten der Klarinette ebenso vertraut wie die Charaktere ihrer Register.
In England schloss er Freundschaft mit Reginald Kells, dem Soloklarinettisten von Thomas Beechams London Philharmonic Orchestra. Vermutlich war dieser eine Art Geburtshelfer der A-Dur-Sonate für Klarinette und Klavier op. 37a (1939, rev. 1940). Buschs Schwiegersohn Rudolf Serkin dürfte den Klavierpart begutachtet haben. Die Sonate bewegt sich im Traditionshorizont der Klarinettenwerke Brahms’ und Regers. Der scherzoartige Mittelsatz zeigt Busch von der skurrilen Seite. Der finale Variationensatz verarbeitet schulgerecht Motivmaterial der Vordersätze.
Auch in den USA, wo Busch seit 1940 lebte, gewann er die Freundschaft eines Holzbläsers von Rang: Simeon Bellison. Der aus Russland emigrierte Soloklarinettist der New Yorker Philharmoniker, der 1944 mit dem Busch-Quartett Mozarts Klarinettenkonzert aufführte, regte das Divertimento für Klarinette, Oboe und Englischhorn op. 62b in sechs Sätzen an. Diesmal findet Bettina Beigelbeck in Antoine Cottinet (Oboe) und Petar Hristov (Englischhorn) wunderbare Partner. Musizierfreude, schalkhafter Humor (4. Satz) und spielerische Ausgelassenheit (5. Satz) wirken mitreißend.
Die Wiederentdeckungen des Karlsruher Busch Kollegiums schließen fünf dreistimmige Kanons im Einklang ein, die Adolf Busch seiner zweiten Frau Hedwig Busch-Vischer am Heiligabend 1949 auf den Gabentisch legte – morgens komponiert und abends prima vista musiziert.
Lutz Lesle