Jolivet, André
Chamber Music for Oboe and Cor Anglais
Die Oboe kann in der Sérénade pour hautbois et piano André Jolivets, einem Wettbewerbsstück, so ziemlich alles zeigen, was ihr musikalisch überhaupt möglich ist. In den Händen des Oboisten Stefan Schilli jubiliert, tanzt und singt sie in technischer Perfektion. Atemberaubend die sauber gespielten rasanten Läufe am Ende des zweiten Satzes, die schönen Kantilenen im ersten Satz und das sich stetig dynamisch und melodisch steigernde Intermède. Die handfesten Elemente des abschließenden Marche burlesque werden betont, das Klavier setzt genüsslich burschikose Akzente auf die Tonrepetitionen. Eine Armee mittelgroßer Zinnsoldaten könnte hier die steifen Beinchen in eigenartiger Grazie schwingen. Pianist Oliver Triendl begleitet kraftvoll, technisch hervorragend, lässt der Oboe aber ein bisschen wohlberechneten Raum für solistische Koketterie.
Die Sonatine pour hautbois et basson folgt: Fagottist Marco Postinghel und Stefan Schilli sind ein homogenes Duo. Dem etwas launig zerrissenen ersten Satz, der beiden Instrumenten die angedichtete Pastoralität zugunsten eines beschwippsten Scherzocharakters nimmt, folgt das Récitatif mit gefühlvoll ausgespielter Melodik. Der dritte Satz (Ostinato) zeigt beide Bläser als Meister des anmutigen und leichtzüngigen Staccatos. Die Musik Jolivets, auch heute noch frisch und frech, scheint Schilli sehr zu liegen, doch bleibt seine Oboe klanglich und stilistisch ein bisschen deutsch. Er lässt es kräftig und stabil klingen und verzichtet dafür auf ein paar subtile Modulationen der Klangfarbe, die meist aber mit weniger zuverlässiger Intonation, bedingt durch ein dünneres Rohrblatt, bezahlt werden müssen.
Für Heinz Holliger und dessen Frau Ursula Holliger, einer Harfenistin, schrieb Jolivet Controversia pour hautbois et harpe. Cristina Bianchi spielt hier die Harfe. Moderne Spieltechniken würzen, auf Wunsch Holligers, angenehm die Stimmen. Das intensive Zusammentreffen dieser beiden Instrumente weist ein paar intime Moment auf, die mit sauberen Multiphonics der Oboe verziert werden. Bald darauf verlieren sich beide wieder in ihren gegensätzlichen Temperamenten, hören einander aber immer noch zu und spielen perfekt zusammen. Die Oboe beendet scheinbar mit einer letzten virtuosen Bemerkung, doch hat die Harfe das letzte, harsche Wort.
Der kurze Chant pour les piroguiers de lOrenoque pour hautbois et piano folgt mit sanfter Melodik und einem Hauch verträumtem Fernweh sofern man vorher den Titel des Stücks zur Kenntnis genommen hat.
Mit acht Sätzen ist die Suite liturgique pour voix, cor anglais (prenant le hautbois), violoncell et harpe das umfangreichste Werk der CD. Sopran (Christiane Karg) und Violoncello (Sebastian Klinger) kommen nun neu hinzu. Wohlklang in jedem Takt sowie emotionales, aber perfektes Zusammenspiel eine äußerst gelungene CD.
Heike Eickhoff