Tartini, Giuseppe

Cellokonzerte und Sinfonien

Rubrik: CDs
Verlag/Label: ebs records ebs 6140
erschienen in: das Orchester 10/2005 , Seite 83

Giuseppe Tartini (1692-1770) ist vor allem durch seine „Teufelstriller-Sonate“ bekannt. Der italienische Geiger und Komponist begründete durch seine ausgefeilte Bogentechnik sowie den Gebrauch von Doppelgriffen und Trillern das moderne Violinspiel. Gut dokumentiert auf CD sind neben einigen Violinsonaten besonders seine Violinkonzerte, von denen Tartini um die 135 schrieb. Seine beiden Cellokonzerte wurden hingegen selten eingespielt, obgleich sich große Interpreten wie Mstislaw Rostropowitsch für sie einsetzten. Und auch von den Streichersinfonien kennt man bislang nur wenige.
Daher ist die beim Label ebs erschienene CD des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim auf jeden Fall eine Katalog-Bereicherung. Auf dieser Einspielung finden sich zunächst die beiden Konzerte in A-Dur und D-Dur mit dem Cellisten Julius Berger. Ergänzt werden sie durch die reizvoll durch die Solo-Violine aufgelockerte Sinfonia pastorale sowie eine Streichersinfonie D-Dur (nach dem Autograf der Mecklenburgischen Landesbibliothek Schwerin). Die Aufnahmen aus den Jahren 2001 und 2002 entstanden noch unter dem ehemaligen Leiter des Kammerorchesters, Vladislav Czarnecki. Berger spielt ein tonsatt klingendes Cello aus der Werkstatt Guadagninis von 1780.
Tartinis Konzerte stehen an der Schwelle vom Barock zur Klassik. Sie weisen noch die Ritornellform Vivaldis auf, die jedoch bereits von ihrer strengen Blockhaftigkeit abgelöst wird. Melodisch herrscht ein galanter Stil vor, der bereits auf Luigi Boccherini und Joseph Haydn weist. Im ursprünglich für Viola da Gamba gesetzten D-Dur-Konzert geben zwei Hörner dem Klang noch eine zusätzliche Wärme. Der an der Musikhochschule Augsburg dozierende Julius Berger hat sich zuletzt als Spezialist für Raritäten von Otmar Schoeck und Ernest Bloch ausgewiesen. Er wird auch Tartini äußerst gerecht. Sein Cello ist sehr präsent abgebildet, dabei herrscht bei ihm wie im Orchester ein eher „gewichtiger“ Ton. Alles wirkt erdenschwer und man vermisst manchmal die frühklassische Leichtigkeit. Besonders schön gelingen die langsamen Sätze, in denen Berger sein Instrument ausdrucksvoll singen lässt. Die spätere „Empfindsamkeit“ wird so bereits greifbar.
Die technisch sehr soliden Interpretationen entwickeln jedoch nur selten einen eigenen Charme (etwa durch ausgeklügelte Phrasierung). Das liegt auch an der
etwas „altbackenen“ Begleitung des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim. Die Musiker erreichen weder die Geschmeidigkeit eines erstklassigen modernen Kammerorchesters noch die aufregende Spielweise von Originalklang-Experten. Das zeigt sich auch in den beiden Sinfonien. Trotz aller Qualitäten fristet diese rundum kultivierte Einspielung daher ein Zwitterdasein im Klassikangebot unserer Tage. Zumal wird sie zu einem für das seltene Repertoire erstaunlich hohen Preis angeboten. Welche Käuferschicht soll damit nur angesprochen werden? Das von der Grafikerin hervorgehobene Herzchen des Tartini-„i“s auf dem liebevoll gestalteten Layout reicht als Anreiz wohl kaum.
Matthias Corvin