Haydn, Joseph / Anton Kraft

Cellokonzerte Nr. 1 und 2 / Cellosonate op. 2/2

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics 0016322BC
erschienen in: das Orchester 12/2008 , Seite 69

Dass man Joseph Haydn auch klangsinnlich gestalten und leicht phrasieren kann, hat sich eigentlich schon längst herumgesprochen. Trotzdem hat es lange gedauert, bis die beiden Cellokonzerte in C- und D-Dur (Hob. VIIb:1 und 2) vom romantisierenden Pathos befreit wurden. Fast pünktlich zum Haydn-Jahr 2009 ist dies nun Jens Peter Maintz und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen geglückt. Fernab vom standardisierten Dauervibrato und mit einem kräftigen Schuss Verve und Esprit werden neue Hörerlebnisse geboten. Endlich wurden die Partituren entschlackt.
Gleichwohl heißt dies nicht für den gebürtigen Hamburger Maintz, der 1994 den ARD-Musikwettbewerb gewann (im Fach Cello war dieser zuvor siebzehn Jahre lang nicht mehr vergeben worden) und Solo-Cellist beim Deutschen Symphonie-Orchester in Berlin war, dass er mit allem Bisherigen bricht. Vielmehr möchte er Brücken schlagen und ist sich des reichen Rezeptionserbes der Werke bewusst. Deswegen greift er teilweise auf Kadenzen von Mstislaw Rostropowitsch, David Geringas und Emanuel Feuermann zurück. Ausgerechnet, muss man sagen, steht doch gerade Rostropowitschs wuchtige Gestaltung für die alte Sicht.
Aber: „Rostropowitschs Einspielung des C-Dur-Konzerts unter Benjamin Britten zählt zu den Aufnahmen, mit der ich als Kind aufgewachsen bin“, erklärt Maintz, deswegen also diese Referenz an den 2007 verstorbenen Cellisten. Bei David Geringas hat Maintz hingegen studiert. Und Feuermann? „Der war von 1929 bis 1933 Professor an der Hochschule für Musik in Berlin (heute: Universität der Künste), an der ich nun selber unterrichte“, so Maintz weiter. „Weil er Jude war, verlor er seine Professur und musste vor den Nazis fliehen.“
So ist die Auswahl der Kadenzen durch Maintz, der ein Violoncello von Vincenzo Ruggeri aus dem Jahr 1696 sowie eines von Wolfgang Schnabl aus dem Jahr 2005 spielt, also auch sehr persönlich motiviert. Musiziert wird ohne Dirigent (Konzertmeister: Thomas Klug), Maintz sitzt inmitten des Orchesters. Die Ersteinspielung der Sonate op. 2/2 für zwei Celli von Anton Kraft (1749-1820), die Maintz mit Dávid Adorján am zweiten Pult aufgenommen hat, rundet die CD ab. Vermutlich hat Kraft, der als erster Cellist in der von Haydn geleiteten Eszterházy-Hofkapelle musizierte und von Haydn in Komposition unterrichtet wurde, beim 2. Cellokonzert von Haydn spieltechnische Tipps gegeben.
Fazit: Mit den zwei Cellokonzerten von Haydn liegen nicht nur erstmals rundum gelungene Referenzaufnahmen vor, sondern zugleich wird mit der Kraft-Sonate eine spannende Erweiterung des Cellorepertoires geboten. Und dies mit geistvoller Programmatik: Einmal mehr zeigt sich, dass es die kleineren CD-Labels sind, die wirklich Neues wagen.
Marco Frei