Cello Duello

Werke von Händel, Haydn, Müller-Wieland, Barrière, Offenbach, Paganini und Morricone

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Solo Musica SM 146
erschienen in: das Orchester 05/2011 , Seite 75

Am Anfang stand, wie so oft, die „pure Not“: Bei einem Meisterkurs des Cellisten und Lübecker Hochschulprofessors David Geringas im Jahr 1991 wurde für das Programm des Abschlusskonzerts ein fulminantes Finale gesucht. Daraufhin steckten zwei Geringas-Studenten, Jens Peter Maintz und Wolfgang Emanuel Schmidt, die Köpfe zusammen und bearbeiteten Paganinis berühmte Moses-Fantasie im Handumdrehen für zwei Celli. Dies war die Geburtsstunde von „Cello Duello“, einer Duoforma­tion, die nunmehr ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum feiert und im Jahr 2011 mit mehreren Cello-Doppelkonzerten auf Tournee gehen wird.
Nun sind diese beiden Ex-Studenten längst gestandene Solisten: Preise etwa beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD München und beim Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb Moskau markierten die Ausgangspunkte ihrer bemerkenswerten Karrieren. Beide Musiker sind mit vielen bedeutenden Orchestern und Kammermusikpartnern aufgetreten, Jens Peter Maintz wirkt überdies als Solocellist des Lucerne Festival Orchestra und als Professor in Berlin.
Dass sowohl Maintz als auch Schmidt nicht nur brillante Einzelkämpfer, sondern frappierend gute Teamplayer sind, belegen die hier eingespielten „Duelle“. Neben aller stupenden Virtuosität – die man in einer eigens erstellten Adaption der Händel-Halvorsen-Passacaglia, in Offenbachs Duo E-Dur, in der Moses-Fantasie und in einer recht belanglosen Widmungs­sonate des Hamburger Komponisten Jan Müller-Wieland bestaunen kann – präsentieren Maintz und Schmidt insbesondere in den Werken von Joseph Haydn und Jean Barrière (1705-1747) wahre Wunder an Klangbalance und Ensembleharmonie. In manchen Doppelgriffpassagen reiben wir uns verwundert die Ohren: Was hören wir hier, ein kleines Orchester, ein Streichquartett in tiefer Lage, ein Gambenensemble? Es sind solche Momente, die diese CD über manche publicity-trächtige Spaß-Produktion ähnlicher Machart hinausheben, denn sie lassen erkennen, mit welcher Seriosität diese Meistercellisten ihr Handwerk betreiben. Nachgerade beglückend in diesem Zusammenhang auch die Hörerfahrung, dass Solisten vom Schlage Maintz und Schmidt ihre stilistischen und ästhetischen Vorstellungen in punkto Musik des 18. Jahrhunderts an der Historischen Aufführungspraxis geschult und deren Resultate mit entspannter Selbstverständlichkeit in ihr Spiel integriert haben.
In das große und verdiente Lob gießen wir, mit Verlaub, kleine Wermutstropfen: Warum ein Pasticcio aus verschiedenen Haydn’schen Baryton-Trios statt eines zusammenhängenden Werks? Die Interpolation einer auf zwei Spieler verteilten Rostropowitsch-Kadenz in den letzten Satz des Haydn-Duos ist reiner Firlefanz, während das Finale der Barrière-Sonate zum überdrehten Parforceritt gerät.
Wie täuschend echt Mundharmonika- und E-Gitarren-Imitationen auf dem Cello gelingen können, beweist schließlich Schmidts sechsstimmiges, im Mehrspurverfahren von den beiden Cellisten aufgenommenes Arrangement von Ennio Morricones Spiel mir das Lied vom Tod.
Gerhard Anders