Celebrating Slava!
In remembrance of Mstislav Rostropovich. Live Recordings from the Cello Festival 2007
Seinen Ehrentitel Welthauptstadt des Cellos verdankt das beschauliche Taunus-Städtchen Kronberg nicht übersteigerter Selbsteinschätzung, sondern einer Reverenzbekundung des großen Mstislav Rostropowitsch anlässlich des 3. Kronberger Cello-Festivals 1997, an dem der gefeierte Cellist selbst teilnahm. Im Herbst 2007 stand das alle zwei Jahre stattfindende Gipfeltreffen dann ganz im Zeichen der Erinnerung an den wenige Monate zuvor verstorbenen Cello-Giganten: In mehreren Konzerten wurden insgesamt 27 Werke aufgeführt, die durch ihn Slava angeregt, ihm gewidmet oder einst von ihm uraufgeführt worden waren. Mitschnitte dieser denkwürdigen Konzerte sind in der vorliegenden CD-Box versammelt, und man kann nicht umhin, der Kronberg Academy und dem Label Profil für die Publikation herzlich zu danken. Hier entsteht posthum ein eindrucksvolles Porträt des Künstlers Rostropowitsch, seiner musikalischen Welt oder zumindest jener Regionen, die von Slavas Engagement für die Musik der Gegenwart zeugen.
Freilich: Zu den Unwegsamkeiten der Siegfried-Palm-Welt etwa Werken von Ligeti oder Zimmermann fand er keinen Zugang. Die cellistisch und stilistisch avanciertesten Posten markieren Dutilleux und Lutoslawskis Solo-Variationen, komponiert 1976 für den Mäzen Paul Sacher. Neben bedeutenden, mittlerweile zum Standardrepertoire zählenden Kompositionen wie den Sonaten von Britten und Prokofjew sind mehrere Werke von Alfred Schnittke zu hören, außerdem Raritäten wie die 1948 durch Rostropowitsch uraufgeführte Sonate des späten Romantikers Nikolai Miaskowsky, ein lange verschollenes Jugendwerk Debussys, zwei Petitessen aus Slavas Komponierstube, verschiedene Arrangements, aber auch Originalwerke für Celloensemble, darunter Henzes Trauerode (1997), deren Klangüppigkeit wie ein italienischer Landregen die bisweilen kargeren Böden der angrenzenden Werke durchflutet.
Eine beachtliche Schar berühmter teils weltberühmter Cellisten, einige illustre Nicht-Cellisten wie etwa Gidon Kremer sowie die Kremerata Baltica und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks waren in Kronberg versammelt, um dem Jahrhundertmusiker Rostropowitsch zu huldigen. Ausgehend vom entsprechend hohen Level des Geschehens mögen einige besondere Glanzpunkte erwähnt werden, etwa Miklós Perényis klangschöne Darstellung der 2. Solosuite von Britten, die stupende Virtuosität des jungen Gabriel Schwabe in Rostropowitschs absurd schwerer Humoresque op. 5 oder auch David Geringas hingebungsvoller Gesang in Alfred Schnittkes ätherisch-kitschigem Epilog aus Peer Gynt. Zwei Uraufführungen mit Tendenz zur Überflüssigkeit standen ebenfalls auf den Kronberger Programmen: Rodion Shchedrins Na pososhok für Blockflöte und Cellosextett sowie Giya Kantchelis Silent Prayer, eine bedeutungsschwanger tönende Seifenblase von fast 25 Minuten Spieldauer. Freilich bleiben daneben genügend Gründe, diese Dokumentation eines einzigartigen Cello-Gipfels gebührend zu preisen.
Gerhard Anders