Ferrandini, Giovanni Battista
Catone in Utica
Selbstverständlich eröffnete man das neu erbaute Münchner Residenztheater (heute als Cuvilliés-Theater bekannt) am 12. Oktober 1753 mit einer eigens in Auftrag gegebenen Festoper und hatte dafür einen bewährten, bereits vielfach komponierten Text des Starlibrettisten der Zeit, Pietro Metastasio, ausgewählt: Die Musik zu Catone in Utica schrieb ein Mitglied des dortigen Orchesters, Giovanni Battista Ferrandini, von dessen Biografie und Schaffen man (bis auf ein lange unter Händels Name kursierendes Lamento) kaum mehr etwas weiß. Zum 250. Bühnenjubiläum war es in unserer Epoche der Ausgrabungen naheliegend, sich um die inzwischen längst vergessene Eröffnungsoper zu kümmern.
Dem heutigen Zuhörer wollte man die barocken Ausmaße allerdings nicht ohne Kürzungen zumuten, worüber das Booklet knapp informiert (hier auch Farbbilder der dramatischen Inszenierung). Als Schlachtenmusik wurde eine (mit Pauken und Trompeten kriegerisch geschmetterte und leider sehr kurze) Marchia aus Antonio Tozzis Orfeo (1775) eingefügt, da eine Originalkomposition nicht existiert. Für den offenbar verloren gegangenen allegorischen Ballo am Schluss der Oper spielt man nun einen Adagiosatz des komponierenden Theaterbauherrn, Kurfürst Max III. Joseph: Es ist eine bewegende Totenklage nach Catones Selbstmord.
Die frühere Gleichsetzung Ferrandinis mit Händel lässt gespannte Erwartung aufkommen, die vorab seis gesagt nicht enttäuscht wird. Die oftmals bizarre Handlung mit ihren merkwürdigen Querverbindungen zwischen den Protagonisten wird allein von Rezitativen und konventionellen Dacapo-Arien getragen, welche die schöpferische Potenz Ferrandinis belegen: Nur ein Könner vermag den Zuhörer mit Dahergebrachtem zu fesseln. Die Partien sind mit halsbrecherischen Koloraturen und unzähligen Verzierungen gespickt und charakterisieren doch bestens die jeweilige Situation.
Fragt man sich bereits bei der mitreißend gespielten Sinfonia, ob das Orchester 1753 wohl ein vergleichbares Niveau besessen hat, so erweisen sich auch die Sänger als Glücksfall: Stürmische Dramatik in den Rezitativen, stimmakrobatische Virtuosität und ausgesungene Kantilenen in den Arien, wobei man besonders die Spitzenregionen der beiden Countertenöre bewundern muss (Robert Crowe als Cesare, Johnny Maldonado als unglücklicher Numidenkönig Arbace). Grandios auch Kobie van Rensburgs (Tenor) heftiger, mit giftigen Horneinwürfen unterlegter Zornausbruch als Catone in der Aria Dovea svenarti, nachdem er von der bisher vertuschten Liebschaft zwischen seiner Tochter (Simone Schneider, Sopran, als streitbare Marzia) und dem feindlichen Cesare erfährt und sich vorwirft, sie nicht gleich nach der Geburt ermordet zu haben. Sandra Moon (Sopran) intrigiert als rachesüchtige Emilia, Florian Simson (Tenor) verleiht der etwas blass angelegten Rolle Fulvios Farbe. Der Live-Mitschnitt (nahezu ohne Nebengeräusche) unter Christoph Hammers zupackender Leitung bereitet mit seinem transparentem Klangbild ungetrübten Hörgenuss.
Georg Günther