Friedrich Carl Kaiser
Carl Stamitz (1745–1801)
Biografische Beiträge – Das symphonische Werk – Thematischer Katalog der Orchesterwerke, hg. von Johannes Knüchel
Die Musikerfamilie Stamitz wird vor allem mit der Mannheimer Schule verbunden, einem wichtigen Bindeglied zwischen Barock und Klassik. Das war nicht immer so und vor allem seit Hugo Riemanns emphatischer Proklamation des „Mannheimer Stils“ (1902) als wegweisendes Moment der musikalischen Entwicklung; eine bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts durchaus heftig umstrittene These, der in der Folge auch eine (erste) Wiener, eine Berliner oder eine Pariser Schule entgegengestellt wurden.
Eine grundlegende Arbeit, die Mannheimer Schule betreffend, war Friedrich Carl Kaisers Monografie zu Carl Stamitz von 1962, die einen biografischen wie auch werkspezifischen Teil aufweist und das Wissen jener Zeit über den Sohn von Johann Stamitz – einem der Gründungsväter der Mannheimer Hofkapelle unter Kurfürst Carl Theodor – zusammenfasst. Doch diese Dissertation wurde nie gedruckt und war nur als Typoskript und Mik-rofiche an verschiedenen Universitäten einsehbar. Nun liegt sie gedruckt vor, herausgegeben von Johannes Knüchel im Rahmen der Schriften zur Südwestdeutschen Hofmusik (Band 2) der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Bis heute ist Kaisers Beitrag zu dem 1745 in Mannheim geborenen und 1801 in Jena verstorbenen Musiker in ihrem Umfang singulär, was eine Buchpublikation in jedem Fall rechtfertigt, auch wenn der Originaltext heute im Internet durchaus zu finden ist.
Der Musikwissenschaftler, der in Marburg promovierte und 2008 in Darmstadt starb, verstand seine Arbeit als „Work in Progress“, und so gibt es viele Varianten, die der Herausgeber nun nach Kaisers Handexemplar in einer Ausgabe „vor 1967“ edierte. Der zirka 60 Jahre alte Text hat ohne Frage bis heute Relevanz für die Forschung. Da aber die darin enthaltenen allgemeinen Angaben zu Biografie und Werk nicht kritisch kommentiert werden, schwingt nicht nur bei Feststellungen zu Stamitz’ Anzahl gesicherter Sinfonien und konzertanter Werke (nicht alle sind erhalten) eine gewisse Unsicherheit mit, ob das bis heute so stimmt, zumal andere Zahlen durchaus kursieren. Hier wären aktualisierende Fußnoten wünschenswert gewesen. Auch zu seinem Pariser Freund Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, der nicht nur Widmungsträger einer der ersten Stamitz-Drucke ist, sondern auch als Mitautor zweier Violinkonzerte vermutet wird, weiß man heute mehr als damals. Daneben hätten „erbbiologische“ Überlegungen des Autors zur Frage der böhmisch-deutschen Abstammung der Familie Stamitz – Anfang der 1960er Jahre und noch in heute durchaus befremdlicher Weise diskutiert – ebenfalls eine kritische Kommentierung verlangt. Insgesamt aber ist diese Schrift zu Stamitz’ Biografie und sinfonischen sowie konzertanten Werken nach wie vor eine bedeutende Quelle.
Matthias Roth