Schröder, Dorothea

Carl Philipp Emanuel Bach

mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Ellert & Richter, Hamburg 2004
erschienen in: das Orchester 02/2005 , Seite 72

Carl Philipp Emanuel Bach wäre eigentlich die ideale Besetzung des Protagonisten in einer Romanbiografie. Und das nicht deshalb, weil er so viel Exorbitantes erlebt, sondern weil die Quellenlage über sein Leben einfach so dünn ist, dass es sich anböte, sie mit Fiktivem aufzufüllen. Glücklicherweise liegt dies der Autorin fern. Solide arbeitet sie alles auf, was heute überhaupt an Wissen über den so genannten Hamburger Bach zusammengetragen werden kann.
Dass die Geschichte nicht bei Carl Philipp Emanuel, sondern bei Johann Sebastian und sogar bei den musikalisch fassbaren „Bachen“ vor diesem beginnt, liegt in der Natur der Sache, und so kommt die Autorin auch erst nach gut einem Drittel des Büchleins auf ihren eigentlichen Gegenstand zu sprechen. Das aber tut sie mit fundiertem Wissen und auch jenem Quäntchen an Erzähltalent, wie es für eine mehr als nur wissenschaftlich-staubtrockene Komponistenbiografie nun einmal notwendig ist.
Ein bisschen zu kurz kommt mir dabei der Blick auf das musikalische Verhältnis zwischen Sohn und Vater Bach, das ja keineswegs von Einigkeit geprägt war. So soll sich Johann Sebastian über Philipps Musik und deren Manierismen folgendermaßen geäußert haben: „Das ist Berliner Blau, das verschießt!“ Philipp hingegen konterte, der gelehrte kontrapunktische Stil seines Vaters sei „sauertöpfiges altes Zeug“.
Der Blick auf dieses Binnenverhältnis zwischen Carl Philipp Emanuel und Johann Sebastian Bach scheint mir deshalb so wichtig, weil in ihm der Schlüssel für das bisweilen etwas angestrengt wirkende Neuerertum des Carl Philipp Emanuel zu finden sein mag: eine kompositorische Abgrenzung gegenüber dem Vater um jeden Preis?
In der immer wieder beliebten Rangordnungsfrage der Bach-Söhne (wer war der beste, wer der genialste?) plädiert die Autorin – immerhin mit dankenswerter Vorsicht – natürlich für „ihren“ Carl. Sie bringt ihn uns aber auch menschlich nahe als einen Mann, dem Schicksalsschläge nicht erspart blieben, der aber gleichwohl auch gut und gern zu leben verstand.
Die vorliegende Edition hat vor allem mit Hamburg zu tun: Gediegene Leinenbände sind es, in denen auf schwerem Kunstdruckpapier und zwischen illustrierten Vorsätzen Hamburger Köpfe vorgestellt werden, Menschen also, die in irgendeiner, aber stets bedeutender Weise mit der Hansestadt verbunden waren oder sind. Jetzt ist die Reihe an Carl Philipp Emanuel Bach, dem in einem reich illustrierten und vor dem Hintergrund heutiger Massenbuchproduktionen geradezu bibliophil anmutenden Band ein würdiges hanseatisches Denkmal errichtet wird.
Sehr zu begrüßen ist die dem Buch beiliegende CD mit Musikbeispielen zu einigen im Text angesprochenen Werken. Man fragt sich, warum derlei akustische „Illustrationen“ bei heutigen Musikbüchern nicht längst durchgängiger Brauch sind.
Friedemann Kluge

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