Kollmann, Anett

Carl Maria von Weber in Dresden

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Morio, Heidelberg 2016
erschienen in: das Orchester 04/2016 , Seite 68

Eigentlich wollte er gleich wieder weg. „Für den gehörigen Contrast war sogleich bei meiner Ankunft gesorgt; nach einer recht glücklichen Reise […] kam ich den 13. Nachmittags hier an, und den 16. wollte ich schon wieder abreisen.“ Doch Carl Maria von Weber blieb für sein letztes Lebensjahrzehnt in Dresden, und genau dieser Zeitspanne widmet sich das Büchlein. Nur kurz wird die Vorgeschichte gestreift (hochverschuldet, aus Württemberg ausgewiesen, immer auf der Suche nach Aufträgen und einer gut dotierten Kapellmeisterstelle), dann widmet sich Anett Kollmann ganz Webers Zeit in Dresden.
Der Komponist hatte gehört, dass der sächsische König neben der Italienischen eine Deutsche Oper etablieren wolle. Für diese Aufgabe bewarb er sich, erhielt 1816 die Zusage, doch dann sollte er „nur“ „Musikdirektor der deutschen Oper“ werden, den ersehnten Titel „Königlich sächsischer Kapellmeister“ hielt bereits der Italiener Francesco Morlacchi. Damit ergab sich eine unerwartete Konkurrenz um Gelder, Privilegien, Personal sowie die Gunst von König und Publikum. Dicht und mit vielen Details schildert die Autorin diesen Beginn, bei dem „jeder Schritt mit 1000 Schwierigkeiten verkabalirt“ ist, wie Weber notierte, dem es lächerlich und lästig war, „wie ein geputzter Hund“ bei Hofe erscheinen zu müssen. Und mit den Widerständen, die Weber vorfand, schildert Kollmann auch die Umstände der damaligen Zeit: Es fehlten Sänger für anspruchsvolle Solopartien („ich kann die Sänger nicht herhexen“); Schauspieler sprangen als Sänger ein; eine Reform der Orchestersitzordnung musste er zunächst zurücknehmen, bis die dann doch galt.
Das informative Bändchen gehört in die Reihe „Stationen“, die auf jeweils 72 Seiten „Bildung für die Westentasche“ bieten will. 18 Titel sind bisher erschienen. Nach den Problemen und dann Erfolgen dieses Deutschen Operndepartements unter Leitung Webers widmet sich die Autorin auch dem Privatmenschen: der Hochzeit mit Caroline Brandt, Soubrette in Webers Prager Ensemble. Sie gab die Sängerinnenkarriere für die Rolle der fürsorglichen Kapellmeistersgattin auf, gebar drei Kinder, von denen nur eines überlebte.
Carl Maria von Weber wurde Teil des „Dresdner Liederkreises“, der als Mittelpunkt des kulturellen Lebens galt. Dazu gehörte auch Helmina von Chézy, die Librettistin von Euryanthe, und wenn sie Weber bat, für ihren Text eine zusätzliche Vergütung zu vereinbaren, zeigt auch das wieder die Arbeitsbedingungen der Zeit. Mit Dresden aber, wo Der Freischütz und die Aufforderung zum Tanz entstanden, hat sich Carl Maria von Weber bis zum Schluss nicht ganz ausgesöhnt: „Ich weiß ja, daß es hier für meine Kunst kein Heil gibt, […] daß ich mehr leisten könnte und würde, wenn ich fortginge, aber ich kann aus dem verflucht hübschen Neste nicht heraus.“
Ute Grundmann