Tschaikowsky, Pjotr Iljitsch
Capriccio italien auf Volksliedthemen für Orchester op. 45
Hg. v. Polina Vajdman
Folgt man Pjotr Iljitsch Tschaikowskys schriftlichen Ausführungen an seine platonische Liebe Nadjeschda von Meck über die Beweggründe des Komponierens, kommt man schnell zu einem einfachen dualen System tonmeisterlicher Wertschöpfung: Innerer Antrieb oder äußerer Anstoß hätten ihn zu den meisten seiner Werke bewegt. Aber so profan wollte es der Künstler denn doch nicht gegenüber seiner Brieffreundin belassen: Natürlich sei er in manchem Auftragswerk wie im Slawischen Marsch für das Musikgesellschafts-Konzert beim Roten Kreuz auch einem inneren Drang gefolgt.
Und umgekehrt? Da wäre z.B. das Capriccio italien, in dem sich Tschaikowsky seine schweren Gedanken mit italienischer Leichtigkeit ausgetrieben hatte. Aber gerade bei diesem Orchesterwerk darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es ohne die Sonne des Südens, ohne florentinisches Flair und vitale römische Rührigkeit nicht vorstellbar gewesen wäre.
So stellt Tschaikowsky-Spezialistin Polina Vajdman in ihrer jetzt in der Breitkopf & Härtel Partitur-Bibliothek erschienenen quellenkritisch-praxisorientierten Ausgabe die Kompositionsumstände im italienischen Zufluchtsort schon im Vorwort in den Fokus. In den Straßen und Gassen der Ewigen Stadt tobt der Karneval. Von diesem fröhlichen Treiben lässt sich Tschaikowsky zu einer Fantasie über italienische Volksliedthemen inspirieren, die er später Capriccio nennt. Vergessen sind die Qualen der unglücklichen Heirat in der Heimat.
Leicht und flüssig muss Tschaikowsky die Komposition von der Hand gegangen sein. Das zeigt das Autograf der Partitur, in dem es, so Vajdman, keine Spuren für spätere Umarbeitungen durch den Autor gibt. Als weitere Quelle dienten die Erstausgabe der Partitur, das Autograf des Klavierauszugs sowie ein Skizzenfragment und vorläufige Themenentwürfe.
Die ausführliche Listung der Quellen im Kritischen Bericht und die Einzelanmerkungen zur Druck-Erstausgabe und dem Partitur-Autograf machen diese Veröffentlichung zu einer verlässlichen Vorlage zur Wiedergabe dieses brillanten Werks, in dem sich italienische Motive mit russischer Themendurchführung treffen. Polina Vajdmans Erkenntnisse sind natürlich nicht neu. Schon Eulenburgs Taschenpartitur folgte im Wesentlichen derselben Vorlage inklusive absolut identischer Seiteneinteilung. Der nun editierte Partitur-Druck besticht freilich durch ein sehr klares und exaktes Notenbild. Auch hier vermittelt also das Äußere die Frische des Inhalts.
Christoph Ludewig