Campbell, John Allison
Cambiamenti
Fagottquintett op. 6/Speculum vitae op. 7/Lieder op. 3/Bläserquintett op. 12
Wer ist John Allison Campbell? Nur wenige knappe Informationen findet man im Booklet dieser CD mit Kammer- und Vokalmusik Campbells: Dort liest man, der in den USA geborene Künstler habe Komposition zunächst in Philadelphia, dann in Berlin studiert und unterrichte heute an der Filmakademie Baden-Württemberg das Fach Symphonische Orchestration. Ergänzende Recherchen in Lexika oder im Internet führen nicht weiter: Wer also ist John Allison Campbell?
Man muss sich an die erklingende Musik auf Campbells Debüt-CD halten und kann hieraus wenigstens auf seine künstlerische Physiognomie schließen. Klar wird: Hier ist ein Komponist am Werk, der nicht das Experiment um des Experiments willen pflegt. Nichts ist nur im Kopf ertüftelt, sondern alles vom realen Klang her gedacht. Der Hörer soll nicht irritiert und verstört werden, sondern ist zum Zuhören eingeladen. Klare Konturen in Melodik, Rhythmik, Linienführung und Harmonik zeichnen die Werke aus. Nicht bloßes Tonspiel sind sie, sondern ausdrucksstark, aber ihre Expressivität bleibt zugleich ästhetisch gezügelt.
Umgekehrt: Wenn auch Campbell sich in einer das Booklet einleitenden ästhetischen Grundsatzerklärung dazu bekennt, er wolle Bezüge zum klassischen Gebrauch herstellen, so geht doch die Bezeichnung konservativ für sein Schaffen ins Leere. Das Experimentelle, etwa die Verwendung mikrotonaler Schwebungen wird als spezielle Färbung in seine Tonsprache einbezogen, als eine Art Variante neben dem grundlegenden chromatischen Vorrat an Stufen.
Womit wir bei einem zentralen Begriff von Campbells Ästhetik angelangt wären: Mit Cambiamenti sind gleich zwei seiner Kompositionen betitelt, die auf Variantenbildung abzielen. Die Cambiamenti I für Fagott und Streichquartett wie auch die für Bläserquintett geschaffenen Cambiamenti II bieten in freier Form dichte thematische und motivische Arbeit mit wenigen Ausgangselementen, wobei auch klangfarbliche Abwandlungen eine wesentliche Rolle spielen. Engagiert sorgen Rainer Luft (Fagott) und das Moon Quartett, allesamt Mitglieder des Berliner Sinfonieorchesters, sowie das Musagetes-Bläserquintett für eine kompetente Interpretation, in der die kompositorische Absicht klar heraustritt.
In den vokalen Bereich führen die beiden weiteren Einspielungen: Speculum vitae nach ausgewählten Bibelabschnitten, ein Werk nachdenklich-meditativer Haltung, dessen überwiegend homofoner Satz vom ars-nova-ensemble Berlin eindringlich realisiert wird. Schade, dass die zugrunde liegenden Textstellen im Booklet genauso wenig nachzulesen sind wie die Gedichte Hermann Hesses, die Campbell in seinem Opus 3 für die Sopranistin Dagmar Wietschorke vertont hat: mit klarem Bekenntnis zu einer traditionellen Liedästhetik und einem motivisch überaus konzentrierten Klaviersatz.
Gerhard Dietel