Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Hg.)
Busoni
Freiheit für die Tonkunst!
Feruccio Busoni (1866-1924) gehörte neben Schönberg, Hindemith, Strawinsky und Bartók zu den wichtigsten Wegbereitern der musikalischen Moderne. Als Komponist, Dirigent, Lehrer, Musiktheoretiker und im Austausch mit Künstlerkollegen setzte er maßgebliche Impulse für das Musikleben seiner Zeit. In Zusammenhang mit einer Ausstellung der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin aus Anlass seines 150. Geburtstags erschien ein umfangreicher Bildband, welcher die facettenreiche Künstlerpersönlichkeit in prägnanten Texten, Zeitzeugnissen, persönlichen Dokumenten und Bildern lebendig hervortreten lässt.
Der vorliegende Band gewährt Einblicke in die umfangreiche Korrespondenz Busonis, unter anderem Briefe an seine Frau. Oft sind diese mit Zeichnungen geschmückt, die eine unerwartet witzige, ironische und bodenständige Seite seines Wesens betonen. Der reisende Virtuose reflektiert hier Begegnungen und Orte, aber auch seine Rolle als Pianist. Aus Glasgow beispielsweise überlegt er, ob es nicht besser wäre, seine Karriere zugunsten des Geschäfts mit Regenschirmen aufzugeben, das ihm an diesem Ort willkommener zu sein schien. Mochte er als Pianist auch außerordentlich erfolgreich sein, so hegte er doch seine Zweifel an der Zukunft dieses Berufsfeldes.
Die Korrespondenz mit dem damals noch jungen und völlig unbekannten Arnold Schönberg zu dessen Klavierstücken op. 11 dokumentiert auf einzigartige Weise das kompositorische, formale und klangliche Selbstverständnis Busonis um diese Zeit. Hier bietet sich eine Reibungsfläche zur ästhetischen Auseinandersetzung, Busoni fertigt sogar eine verbessernde Bearbeitung zu Schönbergs Klavierstücken an.
Als Sohn eines Italieners und einer Mutter mit deutschen Wurzeln in Italien geboren, wurde Berlin zu Busonis Wahlheimat. Hier rief er 1902 die Reihe Orchester-Abende für neue und selten aufgeführte Werke ins Leben. Mit dem Philharmonischen Orchester führte er Musik von Debussy, Sibelius, Bartók und Pfitzner auf. Er lud kompositorische Größen der Zeit zum Dirigieren eigener Werke nach Berlin ein und bezahlte all das aus eigener Tasche. Seine konzeptionellen und gestalterischen Ambitionen reichen hier bis hin zu Plakatentwürfen. Durch den Ersten Weltkrieg fühlte sich Busoni zum Exil in die Schweiz gezwungen. Erst 1920 kehrte er mit der Berufung zum Leiter der Meisterklasse für Komposition an die Berliner Akademie der Künste zurück nach Berlin.
Busoni, der heute vor allem als Bearbeiter Bachscher Werke und als legendärer Klaviervirtuose in Erinnerung ist, begegnet dem Leser als leidenschaftlicher Kenner und Sammler von Kunstwerken und
Büchern, als Förderer Neuer Musik, als Mensch mit umfangreichen gestalterischen Ambitionen und als visionärer (Musik-)Kritiker seiner Zeit.
Anja Kleinmichel