Mozart, Wolfgang Amadeus / Gideon Klein / Gilad Hochman

Brief Memories

Streichtrios

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Classic Clips CLCL 121
erschienen in: das Orchester 12/2013 , Seite 79

Als „Divertimento“ bezeichnete Wolfgang Amadeus Mozart sein heute unter der Köchelverzeichnisnummer 563 geführtes, 1788 kurz nach den letzten drei großen Sinfonien entstandenes Streichtrio. Divertimento ist es wohl äußerlich, in seiner sechssätzigen Anlage, doch nicht mehr im avancierten kompositorischen Anspruch. Das wird auch in der Interpretation des Werks durch das den Namen einer bekannten italienischen Geigenbauerfamilie führende „Ensemble Gagliano“ auf der vorliegenden CD deutlich: Karina Buschinger (Violine), Aline Saniter (Viola) und Julian Steckel (Violoncello) lassen Mozarts Musik zwar mit schmeichelndem Tonfall dynamisch zurückhaltend anheben, führen den charmanten Diskurs der Instrumente aber spätestens bei der Durchführung des Kopfsatzes in tiefsinnige und abgründige Regionen. Nach ganz ätherischen Adagio-Tönen geht es erst in den folgenden Tanzsätzen wieder bodenständiger zu: in den beiden eher rustikal musizierten Menuetten, deren erstes geradezu zum Zwiefachen wird, im Andante mit seinem zunächst ein wenig naiv auftretenden Variationsthema sowie im recht ausgelassen wirkenden
Finale.
Ihren besonderen Repertoirewert hat diese CD-Neuproduktion durch die beiden anschließend eingespielten Werke von Gideon Klein und Gilad Hochman. Gideon Klein, der zur Gruppe der unter der nationalsozialistischen Herrschaft nach Theresienstadt deportierten Komponisten gehört, vollendete sein dreisätziges Streichtrio dort im Oktober 1944, nur eine gute Woche, bevor er nach Auschwitz in den Tod geschickt wurde. Die Angst vor diesem Schicksal ist in Kleins Musik nicht zu spüren: zumal die knapp dimensionierten Rahmensätze zeigen überschäumende Lebenszuversicht. Munter aufgedreht lässt das Ensemble Gagliano das anfängliche Allegro beginnen, straff marschierend sowie von geradezu motorischem Bewegungsdrang erfüllt das „Molto-vivace“-Finale. Mit Lust musizieren Karina Buschinger, Aline Saniter und Julian Steckel hier betont kantig und mit aggressiver Tongebung. Schwermut verbreitet nur das an zweiter Stelle stehende „Lento“, in dem Klein ein Volkslied seiner mährischen Heimat variiert.
Abgerundet wird diese Einspielung mit den Brief Memories for string trio des 1982 geborenen israelischen Komponisten Gilad Hochman. Wie aus dem tiefen Dunkel des Gedächtnisses scheinen diese Memories allmählich in die hellere Gegenwart heraufzutauchen, zuerst nur flüsternd und wispernd, von vielen Pausen durchsetzt, bevor sich thematische Gestalten bilden und von der einstimmigen Rezitation zu mehrstimmigem, durchaus sentimenterfülltem Gesang verdichten. Spätromantische oder expressionistische Tonfälle klingen in Gilad Hochmans Komposition an, bevor das Ensemble Gagliano in seiner atmosphärisch dichten Interpretation diese Erinnerungsbruchstücke wieder im Dämmer versinken lässt.
Gerhard Dietel

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