Johann Sebastian Bach
Brandenburg Concertos
Nr. 1-6, Berliner Barock Solisten, Ltg. Reinhard Goebel
Eilig hat ers immer noch, der Dirigent Reinhard Goebel. Die schnellen Sätze durchfegt er wie ein Wirbelwind, der auch vor den langsamen nicht wirklich Halt macht. Aber dennoch schafft er es, diesen unnachahmlichen Swing zu erzeugen, etwa im Andante von Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 2. Die Tempi rasant, die Taktschwerpunkte deutlich, die Soli virtuos: Diese Neuaufnahmen der berühmten sechs Concerti für den Markgrafen Christian Ludwig haben eine ungemeine Leichtigkeit und Eleganz, was vor allem den Bläsern der Berliner Barock Solisten zu verdanken ist. Aber nicht weniger den Streichern, und das ist wichtig, betont zu werden, denn diese nun auch schon mehr als 20 Jahre bestehende Truppe aus Musikern der Berliner Philharmoniker sowie Instrumentalisten aus der Alte-Musik-Szene der Hauptstadt spielt nicht auf Originalinstrumenten, sondern auf sogenannten modernen, vor allem also modern nachgerüsteten.
Reinhard Goebel, ehemaliger Geigenguru der historischen Aufführungspraxis und Gründer der legendären Musica Antiqua Köln, hat sich seit vielen Jahren bereits von den durch ihn selbst meist inspirierten nachrückenden Experten für die Spielweisen des 17. und 18. Jahrhunderts distanziert und arbeitet seither lieber mit modern ausgebildeten Musikern. Als Dirigent für Oper und Konzert eine Größe für Alte Musik auf neuen Instrumenten, kann er diesen (wie auch dem Hörer) immer noch eine Menge beibringen, wie man nicht zuletzt aus dem Booklet herausliest. Und so treffen sich die Berliner und der Ex-Guru musikalisch auf Augenhöhe, was die Frage der Instrumente wirklich nicht mehr zur erheblichsten macht, zumal die Musiker nun auf diesem Gebiet auch keine Anfänger mehr sind.
Goebel, der noch vor mehr als 30 Jahren gerade diese Bach-Concerti gegen den spätromantischen Geigenstrich bürstete, setzt nun gelassener aufs Musikalische, vertraut auf der Grundlage des historischen Kontextes auch dem Instinkt und Können seiner Musiker, die ihm nicht nur an den Lippen hängen. Er selbst spricht von nahezu orgiastischen Aufnahmesitzungen zu dieser Doppel-CD, und der Enthusiasmus überträgt sich vor allem in den rasanten Ecksätzen.
Der Spaß am Musizieren hat sich, so die Erkenntnis, seit Bachs Zeiten letztlich kaum verändert, aber in den vergangenen dreißig Jahren verminderte sich doch zumindest Reinhard Goebels recht fanatische Verbissenheit zum Wohle der Musik! Was damals unzweifelhaft seine Gründe hatte, würde heute obsolet wirken. Reinhard Goebels neuer Zugriff ist dagegen geradezu altersweise. Nicht nur die ausgezeichneten Solisten unter ihnen Roberto Gonzáles Monjas und Daniel Gaede (Violinen), Nils Mönkemeyer (Viola), Saskia Fikentscher (Blockflöte), Christoph Hartmann (Oboe), Reinhold Friedrich (Trompete) und Raphael Alpermann (Cembalo) danken es dem Dirigenten mit beherzter Virtuosität. Ein Hörvergnügen.
Matthias Roth