Sandberger, Wolfgang (Hg.)

Brahms Handbuch

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Metzler/Bärenreiter, Stuttgart/Kassel 2009
erschienen in: das Orchester 07-08/2010 , Seite 60

Das Brahms Handbuch der Verlage Bärenreiter und Metzler ist in einer Zeit konzipiert worden, in der sich ein Generationenwechsel in der Brahms-Forschung abzeichnete. Zu den 25 Autoren gehören daher auch mehrere junge Musikwissenschaftler, die erst in jüngster Zeit mit Dissertationen oder wichtigen Arbeiten zu Brahms auf sich aufmerksam gemacht haben: Johannes Behr, Peter Schmitz, Jan Brachmann, Christiane Wiesenfeldt und Katrin Eich. Bezeichnenderweise beginnen zwei von ihnen die Vorworte ihrer Arbeiten mit der Frage: „Brauchen wir noch ein Buch über Brahms?“ Auch das vorliegende Brahms Handbuch beantwortet diese Frage implizit mit einem klaren Ja. Brahms bleibt ein Komponist, der auch im 21. Jahrhundert aktuelle Fragen stellt und beantwortet.
Als Symptom, Movens und Grundlage der heutigen Brahms-Beschäftigung sind das Werkverzeichnis, die Arbeit der Neuen Brahms Gesamtausgabe (federführend Michael Struck), das Brahms-Briefwechsel-Verzeichnis und die Arbeiten der Brahms-Sammler und Initiatoren des Lübecker Brahms-Instituts Renate und Kurt Hofmann zu verstehen. Für das Brahms Handbuch lässt der Herausgeber, Wolfgang Sandberger, Vorstandsmitglied der Brahms-Gesellschaft, Jan Brachmann fachkundig seine Dissertationsthesen in dem Kapitel „Brahms zwischen Religion und Kunst“ zusammenfassen. Christiane Wiesenfeldt wurde für das Thema „Kammermusik mit Klavier und Streichinstrument“ gewonnen. Johannes Behr berichtet über „Brahms als Lehrer und Gutachter“, Peter Schmitz über Brahms als Herausgeber. Weitere Autoren neuester Brahms-Literatur wurden mit einbezogen wie Michael Heinemann (Deutsches Requiem) und Peter Ravizza (Sinfonische Chorwerke).
Im biografischen Abschnitt des Handbuchs treten sieben Autoren ein wenig in Konkurrenz zueinander und wiederholen sich zwangsläufig, da die Beiträge nicht chronologisch, sondern systematisch angelegt sind. Als weitere Großkapitel wurden gewählt: „Ästhetische Positionen“, „Kompositorische Arbeit“, „Interpretation und Rezeption“ sowie einzelne Werkgattungen. Der wesentliche Schwerpunkt des Handbuchs liegt auf Brahms’ Werken. So schreibt etwa Robert Pascal, als Mitherausgeber der Neuen Brahms Gesamtausgabe einer der intimsten Kenner dieser Materie, den größten zusammenhängenden Beitrag für das Handbuch: das Kapitel „Orchestermusik“. Die Werkanalysen der Autoren Kieler Provenienz (Eich, Krummacher, Oechsle, Wiesenfeldt) bestechen durch Akkuratesse und sprachliche Brillanz.
Sandberger hofft in seinem Vorwort ein wenig verwegen, „das bislang in der Forschung Geleistete in einem Band zusammenzufassen“. Gelungen ist in jedem Fall ein umfassendes Kompendium, das den momentanen Stand der deutschsprachigen Brahms-Forschung wiedergibt und auch Nicht-Musikwissenschaftlern vielseitige Annäherungen an Brahms’ Leben und Werk bietet. Werkverzeichnis, Zeittafel, Namen- und Werkregister ergänzen sinnvollerweise die Nachschlagefunktion des Brahms Handbuchs.
Katharina Hofmann