Beikircher, Konrad
Bohème suprême
Der neue Opernführer
Ein Pumps, immerhin drei Taschentücher und fünf Bischofsmützen, andererseits nur zwei Paar Handschellen
aber dann doch: ganze fünf Operngläser! Augenzwinkernd, kenntnisreich und mit großem Opern-Herz führt der Autor, Kabarettist und Musiker Konrad Beikircher durch einige ausgewählte Werke des gängigen Repertoires von Gluck über Donizetti, Wagner und Mussorgskij bis zu Puccini. Ein schnelles Urteil über das Werk lässt sich der abschließenden Kurzbewertung entnehmen, in der Beikircher Symbole dafür vergibt, mit wieviel Erotik, Magie und Moral oder auch Gewalt- und Gähnpotenzial der Opernbesucher zu rechnen hat. Dabei weitet er nicht nur humorvoll die eigens aufgestellten Kategorien aus, sondern provoziert durch einen argumentativen Fokus auf eben nicht immer den zentralen Aspekt ein Schmunzeln ebenso wie ein Opponieren.
Durch die stark persönlich eingefärbte Brille des Autors erfährt der Leser zunächst Werkgeschichte, Besetzung und Handlung. Die Warnung bezüglich der Seriosität seiner Inhaltsangabe spricht der Autor gleich in der Einleitung aus. Wenn er in den Biografien ebenso virtuos wie selektiv so wechselvolle Lebensgeschichten wie diejenige Lortzings oder Wagners schlaglichtartig auf weniger als eine Seite zusammenzieht, können Verzerrungen nicht ausbleiben.
Neben den nicht ganz bloßen Fakten urteilt Beikircher über Hits und Flops. Begeisterungsausbrüche ebenso wie kritische Seitenhiebe laden den Leser trotz der zum Teil gesuchten Argumentation dazu ein, Inhalt, dramatischen Aufbau und Vertonung selbst zu hinterfragen. Gelegentliches Unverständnis des Autors, z.B. für Davids Belehrung über die Regeln des Meistergesangs, das Ritual bei der Zusammenkunft der Meister oder die abgedroschene Kritik an der Sprache der Rheintöchter, muss der Leser dafür in Kauf nehmen.
Mit der Kategorie Operntäuscher bereitet Beikircher den unbeleckten Opernfreund darauf vor, wie er in Pausendiskussionen auch hartgesottenen Alleskennern Paroli bieten kann. Mit seiner wunderbar ungekünstelten Herangehensweise und einem Tonfall, der mal aufrichtig begeistert, mal ironisch, mal burschikos daherkommt, nimmt Beikircher den großen Werken des Musiktheaters ihre Schwere und Unnahbarkeit. Leider unterbricht er seinen unterhaltsamen und eingängigen Textfluss aber auch immer wieder durch einzelne, forciert komische Umgangssprachlichkeiten, die den Leser mit dem Holzhammer an die Leichtigkeit des Stils erinnern. Auch die ironischen Brechungen, die bei einer althergebrachten Haltung von Ernst und Tragik anregend sein können, führen nicht immer weiter, sondern wirken vielfach bemüht.
Trotz der zum Teil lapidaren Sprache bleiben jedoch immer Respekt und Leidenschaft des Autors spürbar. Und wenn er die Hoffnung äußert, dass ich Ihnen mit diesem Buch ein bisschen Lust auf Oper machen kann, so lässt sich nur feststellen: Das kann er ganz gewiss!
Astrid Bernicke