Blechschaden
Live on Tour. By Bob Ross
Die besten Erfolgsgeschichten schreibt immer noch der Zufall. Vor knapp zwanzig Jahren machte ein Koffer voller Noten, den Hornist Bob Ross aus seiner schottischen Heimat mitgebracht hatte, auf einem Fest der Münchner Philharmoniker ordentlich Furore. Seitdem erobert das aus einer Spiellaune entstandene Ensemble Blechschaden nicht nur ganze Fußballstadien, sondern füllt mit gelungenen Arrangements, die auf der Tradition britischer Bergarbeiterkapellen fußen, längst die heiligen philharmonischen Hallen der Nation. Mit einem gelungenen Stilmix aus Buxtehude und Blues sprengen die Musiker um ihren Leiter Ross nicht nur die Grenzen zwischen E- und U-Musik, sondern mischen mit herausragenden Entertainmentqualitäten verstaubte Konzertrituale tüchtig auf. Gleich zwei Mal (1999 und 2002) wurde die Formation mit einem Echo Klassik ausgezeichnet.
Abgefilmte Konzerte, die auf der vorliegenden DVD in einer knappen halben Stunde als Sammelsurium verschiedener Tourneemitschnitte präsentiert werden, sind naturgemäß problematisch. Streckenweise lässt die Synchronisation von Ton und Bild zu wünschen übrig. Auch können so manche Kamerasequenzen und abgeschnittene Köpfe als Beispiel angeführt werden, wie man es besser nicht machen sollte. Mit Sicherheit gibt es ebenfalls kunstvollere Techniken, Großaufnahmen von Instrumenten samt ihrer Spieler ins rechte Licht zu rücken. Wichtige Akzente setzen die Schwenks ins Publikum. Vor allem bei den Heimspielen der Musiker in ihrer Kulturvollzugsanstalt Gasteig wird über die Gesichter der Zuhörer transportiert, was die Besonderheit von Blechschaden neben einer auf allen Tracks dokumentierten durchweg exzellenten Klang- und Ensemblekultur ausmacht. Ein auf die Bühne vorweg marschierendes schottisches Dudelsackregiment erweist sich dabei als ebenso originell wie das zur perfekten Bluesröhre umfunktionierte Alphorn.
Das Konzept, Volkstümliches für Klassikpuristen salonfähig zu machen oder mit dem Ring im Zeitraffer die Neugierde von Freunden traditioneller Blasmusik zu wecken, geht in Nord und Süd vor scheinbar jeder Kulisse auf. Szenen aus dem Tourneealltag der Musiker dienen jedoch eher dem Unterhaltungs- als dem Informationswert und mit älteren Kalauern aus dem Sumpf der Blechbläserwitze werden zudem Klischees am Leben gehalten. Das Medley in Sonthofen zeigt nämlich, dass Blechschaden sehr wohl ohne diesen überstrapazierten Klamauk auskommt. Sobald aus dem Gartenschlauch der Triumphmarsch tönt und Tubaklänge in der Badinerie graziler als jede Flöte perlen, entsteht Musikkabarett erster Güte. Viele dieser Szenen hätte man allerdings gerne im Detail genossen, doch leider werden ausgerechnet die Höhepunkte in knapper Flickschustermanier präsentiert. Das Bonusmaterial überzeugt durch das Interview mit Bob Ross, in dem die im Hauptfilm zu kurz gekommenen Anekdoten aus zwei Jahrzehnten Ensemblegeschichte mit subtilem Humor beleuchtet werden.
Sandra Sinsch