Alexis Ciesla

Bestiaire

für Klarinette in B und Klavier, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Advance Music
erschienen in: das Orchester 03/2018 , Seite 64

Mit der allegorischen Tierdichtung aus dem Mittelalter hat das Bestiarium von Alexis Ciesla außer dem Namen nichts gemein, hatte dieses doch Bezüge zur christlichen Lehre, in der z.B. der Löwe als Symbol für Christus galt. Ein besonders schönes Bestiarium stammt aus der Zeit um 1200 aus der ostenglischen Abtei Peterborough. So viel zur Begriffsklärung.
Was macht nun der französische Klarinettist, stilistisch vielseitige Komponist und Musikpädagoge Alexis Ciesla in seinem Bestiarium? Da kommen auf musikalischem Wege drei ganz unterschiedliche Tiere daher: Die Klapperschlange nähert sich in moderatem Tempo in g-Moll mit misterioso klackendem Schritt und überrascht dann mit einer geschlängelten Flatterzungen-Kadenz auf der Doppeldominante. Der weitere Weg wird rhythmisch vielfältiger und ist mit Sekundklängen im Klavier gewürzt, das sich bis in die hohe Diskantlage begibt und gemeinsam mit der Klarinette ein melodisch gegenläufiges Dreitonmotiv beschleunigt, auf das eine kurze, wilde einstimmige Klavierkadenz folgt. Sein Formgefühl lässt den Komponisten dann den Anfangsteil wieder aufgreifen, bringt ihn aber mit einem langen Klarinettentriller und extremer Klavierklanglage effektvoll zum Schluss.
Dass das nächste Tier sich im Wasser bewegt, lässt das Klaviervorspiel mit seiner leisen pedalisierten Sechzehntel-Bewegung erahnen, die sich auch im weiteren Verlauf fortsetzt. Welcher Fisch darauf schwimmt, wäre wohl nur schwer zu erraten. Es ist der Koi-Karpfen, der mit überwiegend fünftöniger Melodie solange schwimmt, bis ein kleiner Strudel kommt und ihm am Ende hörbar die Luft ausgeht. Füchse tanzen dann mit einem Wechselnotenmotiv mit kleiner Sekunde einen swingenden Foxtrott, der harmonisch bodenständig bleibt, aber auch mit einigen Reizklängen aufwartet. Besonders mutige Klarinetten-Füchse können sich an erste Improvisationen heranwagen, deren Tonmaterial – pädagogisch sinnvoll – vorgegeben ist.
Die tierisch guten Stücke eignen sich bestens als kurzweilige Vortragsstücke für junge Mittel-
stufen-Schüler: Das Bestiarium beschränkt sich für die Klarinette auf den Tonumfang bis zum c”’ und verlangt eine grundlegende grifftechnische und rhythmische Sicherheit, vor allem aber Mut zur lebendigen Gestaltung. Der im Schwierigkeitsgrad etwas anspruchsvollere, kompositorisch gleichwertige Klavierpart ist sehr durchsichtig gestaltet und erfordert einige spieltechnische Versiertheit im Leggiero-Spiel bei den Koi-Karpfen.
Ein Wermutstropfen bleibt: Der Preis ist angesichts von nur 14 Seiten Klavierpartitur zu hoch.
Heribert Haase