Haydn, Joseph
Berühmte Streichquartette
Streichquartette d-Moll op. 76 Nr. 2, C-Dur op. 76 Nr. 3, B-Dur op. 76 Nr. 4
Bei der Einspielung klassischer Musik steht das Gewandhaus-Quartett stets für hohe Qualität. Wer erinnert sich nicht gerne an die preisgekrönten Interpretationen der Streichquartette Beethovens durch die Leipziger Musiker, in denen dramatischer Impetus und Schärfe, Humor, Leidenschaft sowie groß angelegte Kantabilität genial verwoben sind? Gute Voraussetzungen also für die Neueinspielung von drei der berühmtesten Streichquartette von Joseph Haydn aus dessen Opus 76, des Quintenquartetts (76/2), des Kaiserquartetts (76/3) und des Quartetts Der Sonnenaufgang (76/4).
Doch vielleicht ist die Messlatte damit auch zu hoch gelegt. Zwar musizieren die wunderbar aufeinander eingestimmten Streicher Frank-Michael Erben, Conrad Suske, Volker Metz und Jürnjakob Timm auf gewohnt allerhöchstem Niveau. Sie atmen die Phrasen sehr gesanglich mit, eruieren neue Klänge, die in der Musik verborgen sind, suchen und finden den musikalischen Witz, den Haydn immer wieder in seine Musik komponiert hat, und gestalten die plötzlich hervortretenden musikalischen Eruptionen virtuos. Und doch, im Vergleich zu den Beethoven-Einspielungen fehlen der allerletzte Biss, die allerletzte Konsequenz und möglicherweise auch der Wagemut, vielleicht bislang Unerhörtes zu Tage zu fördern. Doch wie erwähnt: All dies findet auf allerhöchstem Niveau statt und die Interpretationen klingen wunderschön vielleicht zu wunderschön?
So gibt es eigentlich gar nichts zu bekritteln, wenn da nicht eben jene Referenzaufnahmen der Beethoven-Streichquartette im Ohr hängen geblieben wären. Im Vergleich dazu wirken die Haydn-Aufnahmen zurückgenommen, etwas verhalten, fast etwas zu ehrfürchtig. Und damit ist eigentlich bereits alles gesagt. Denn über Spieltechnik und Artikulationsform braucht man keine Worte verlieren, wenn man die Beethoven-Einspielungen kennt. Daran hat sich grundsätzlich nichts geändert.
Es gibt Momente, da möchte man herausragende Referenzaufnahmen fast verfluchen. Dies ist ein derartiger Moment, denn ansonsten könnte man ganz unbekümmert von einer Spitzenaufnahme der drei Haydn-Streichquartette berichten. Wie auch immer, diese Aufnahme sollte in keiner CD-Sammlung von Liebhabern der Streichquartett-Literatur und der Musik Joseph Haydns fehlen. Denn bessere gibt es eigentlich nicht.
Klemens Fiebach