Dieter David Scholz
Berlin: Sängerisch ausgezeichnet, aber ohne Drive
Altbackene Inszenierung von Mozarts „Idomeneo“ an der Staatsoper Unter den Linden
In der Hauptstadt Berlin, einer Hochburg des Euro-Trash-Regietheaters, hat der schottische Regisseur David McVicar eine Oper inszeniert wie zu Opas Zeiten. Er hat das auf der Insel Kreta während des trojanischen Krieges spielende Stück in der Antike belassen. Schon die von Gabrielle Dalton entworfenen archaischen Gewänder lassen keinen Zweifel. Er erzählt brav und geradlinig – bei minimaler Personenführung – die Geschichte Idomeneos, des Königs von Kreta, der in Seenot gerät, Neptun aber dadurch zu besänftigen versteht, dass er verspricht, ihm den ersten Menschen zu opfern, den er am Strand trifft. Es wird sein eigner Sohn Idamante sein. Nach drei Akten aber gibt es dann doch ein lieto fine, siegt dann doch die Liebe: die von Idamante zu seinem Vater wie auch die zur trojanischen Prinzessin Ilia. Der Konflikt um das Menschenopfer ist indes auch ein Stück über die Verantwortung des Menschen für sich selbst. Die arg konventionelle, sich in altbackenen Operngesten und -gängen ergehende Inszenierung vernachlässigt diese Metaebene großzügig.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 06/2023