Berlin Piano Quartet

Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Gustav Mahler und Robert Schumann

Rubrik: CDs
Verlag/Label: RCA Red Seal
erschienen in: das Orchester 04/2018 , Seite 70

Anstelle der Interpreten oder der Musik sei hier einmal zuerst die Verfasserin des Beihefts, Ingeborg Allihn, dankend erwähnt: „Klingende Gespräche“ nennt sie ihren Artikel über diesen „Dialog zwischen einem Tasteninstrument und drei Streichern“ – ein schönerer Titel könnte (auch) für die vorliegende CD wohl kaum gefunden werden.
Die Musiker – die Streicher Christoph Horák (Geige), Micha Afkham (Bratsche) und Bruno Delepelaire (Cello) sind Mitglieder der Berliner Philharmoniker, deren exzellenter Ruf sich hier erneut bestätigt, Pianistin ist die Französin Kim Barbier – widmen sich schwerpunktmäßig der eher zu selten zu hörenden Gattung des Klavierquartetts, unter anderem auch der modernen Literatur von Bridge oder Schnittke.
Die eingespielten Werke, wunderbar austariert aufgenommen im Kleinen Sendesaal des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), präsentieren die musikhistorische Entwicklung des Klavierquartetts in rund hundert Jahren eindrucksvoll: Wolfgang Amadeus Mozarts technisch und musikalisch anspruchsvolles, energisches g-Moll-Stück, das bei den Zeitgenossen wenig Gefallen fand; Robert Schumanns Quartett in Es-Dur, zunächst verträumt, dann kraftvoll, mitunter gar unheimlich; und das expressive Jugendwerk von Gustav Mahler in seiner „besonderen“ Tonart a-Moll.
Das Berliner Klavier-Quartett lässt seine Instrumente klingend miteinander sprechen: rege, aufgeregt, angeregt, anregend, vorwurfsvoll, interessiert, fragend, bestimmend, schmeichelnd. Nur eins tun die Gesprächspartner nicht: sich anbiedern. Stets bleiben sie selbstbewusst, dabei selbstkritisch, wissen, was sie können, wann sie reden dürfen und sollen, wann sie besser anderen das Wort überlassen. Stets wissen sie sich aufeinander einzustellen, das Gegenüber ernst zu nehmen, zu konkurrieren, jedoch empathisch zu reagieren, den anderen den Vortritt zu lassen, sie im Zaum zu halten. Dabei gibt es keinen Moderator, keinen Gesprächsführer, sondern „nur“ ein ausgewogenes, gleichwertiges Miteinander.
Eine bestechend lebendige, jugendlich sich ereifernde Kommunikationsfähigkeit zeigt sich in Mozarts Rondo. Eine innige, mitunter bedrückende Konversation führt das Quartett bei Mahler, etwa in den synchronen Auf- und Abwärtsläufen.
Zu Schumanns besonders anfangs dichtem, düsterem Werk scheinen sich noch mehr Gesprächspartner eingefunden zu haben, sich zeitweise in Grüppchen aufzuspalten, sich wieder zusammenzufügen. Lauthals diskutieren sie, romantisch-elegisch glissandierend lamentieren sie im Andante Cantabile, staccatohaft wie die Königin der Nacht meckern sie und ereifern sich bis zum Höhepunkt in der rasanten finale Fuge, ehe alle Beteiligten erschöpft, verausgabt, aber höchst zufrieden das klingende Gespräch beenden, das Gesprächsforum verlassen, sich in nachklingendes Schweigen hüllen und die (Zu-)Hörer beglückt und erfüllt zurücklassen.
Carola Keßler