Berlioz, Hector
Benvenuto Cellini
Weimarer Fassung. Oper in drei Akten op. 23
Der Stuttgarter Sound des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR, ohne Vibrato und mit möglichst authentischen Phrasierungen, ist zu einem Markenzeichen der Arbeit Roger Norringtons geworden. 1988 hatte der englische Dirigent für Aufsehen gesorgt mit einer revolutionären Einspielung der Symphonie fantastique und kehrt nun quasi zu den Anfängen seiner Beschäftigung mit der Musik der französischen Romantik zurück. Bei Hänssler Classics ist der klanglich insgesamt überzeugende Mitschnitt aus dem Berliner Konzerthaus von Berlioz erster Oper Benvenuto Cellini erschienen. Norrington stellt die Weimarer Fassung von 1852 zur Diskussion. Er und seine ungemein präzisen Stuttgarter bleiben der Geschichte vom genialischen Künstler und Totschläger Cellini kaum etwas an technischer Brillanz und musikalischer Durchdringung schuldig, und doch wirkt die Oper in Norringtons Lesart besonders im ersten Akt etwas distanziert-unterkühlt. Mag man bei den Stuttgartern manche Details dank des vibratolosen Spiels deutlicher als gewohnt hören, die Referenzaufnahme von Colin Davis (Philips) hat ihnen oft den beherzteren musikdramatischen Zugriff voraus. Zu großer Form laufen Norrington und seine Musiker aber im Karnevals-Akt auf, der packend zugespitzt und ungemein frisch daherkommt. Nicht nur an Orchester stellt Benvenuto Cellini hohe Anforderungen, auch die für Solisten und Chor stellen hohe Hürden dar.
Scheinbar ohne Mühe kann der Chor des Mitteldeutschen Rundfunks, für dessen Einstudierung Howard Arman verantwortlich zeichnet, diese bewältigen. Flexibel und wenn nötig mit beachtlicher Durchschlagskraft ist es ein Vergnügen ihm zuzuhören. Trotz einer insgesamt ausgewogenen Sängerbesetzung lassen die Solisten da schon mehr Fragen offen. Die ebenso heldische wie lyrische Anlagen fordernde hohe Tenorpartie des Cellini singt bei Norrington der mit der Musik der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestens vertraute Bruce Ford. Er ist ein aufbrausend-hitzköpfiger Cellini, eine rollentypisch durchaus ansprechende Verkörperung des Raufbolds, Frauenhelds, Totschlägers und genialischen Renaissancekünstlers. Trotz aller Beweglichkeit seines Tenors ist er aber auch infolge seiner nicht immer freien Höhe einem Stilisten wie Nicolai Gedda bei Davis unterlegen. Laura Claycomb als seine Geliebte Teresa singt ansprechend. Sicher, aber etwas unterkühlt gibt Monica Groop den Ascanio. Franz Hawlata singt Teresas Vater mit gelegentlich etwas rauer Bassautorität, Christopher Maltmann überzeugt als Fieramosca, ebenso sind die weiteren Rollen auf guten Niveau besetzt.
Walter Schneckenburger