Wagner, Richard
Ben Heppner singt Wagner
Excerpts from "The Ring of the Nibelung"
Neue Studioproduktionen von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen sind in Anbetracht der horrenden Kostenentwicklung solcher Projekte kaum noch zu erwarten. Da ist eine Einspielung mit dem Heldentenor Ben Heppner mit Ring-Auszügen, der sich zentralen Szenen Siegmunds aus der Walküre sowie denen Siegfrieds aus Siegfried und der Götterdämmerung widmet, zumindest ein Teilersatz. Aus der Tetralogie sozusagen eine Vater-Sohn-Geschichte herauszudestillieren, hat musikalisch ebenso wie dramaturgisch durchaus seinen Reiz.
Heppner, der seit den 1990er Jahren zu den wichtigsten Wagner-Tenören seiner Generation gehört, hat bislang weder Siegmund noch einen der Siegfriede komplett auf der Bühne verkörpert. Dafür hat der vielseitige kanadische Tenor, der inzwischen auch eine kurze Stimmkrise erfolgreich überwunden hat, neben Stolzing, Lohengrin und Erik auch den Tristan schon live gesungen. Heppners in allen Registern ausgeglichener Tenor verfügt über genügend Strahlkraft für die Ausbrüche der Schmiedelieder aus dem Siegfried, ohne von seiner Charakteristik mit den schweren Heldentenören der Vergangenheit verglichen werden zu können. Dennoch hat er genügend Metall in der Höhe und Kraft in der farbenreichen Mittellage, um Wagners Protagonisten bei dieser Aufnahme überzeugende Gestalt zu verleihen.
Über die Emphase eines Siegfried Jerusalem, dessen Schmiedelieder nun aus Bayreuth auf DVD (Warner 256462320-2) erschienen sind, verfügt er indes nicht; Heppner ist in dieser Partie eher mit Wolfgang Windgassen zu vergleichen. Beachtlich ist seine klare Deklamation, die Textverständlichkeit, die aber nie zum Sprechgesang tendiert. Heppner ist sich zudem mit Peter Schneider am Pult der Staatskapelle Dresden in Fragen der eher zurückgenommenen Tempi einig. Dank der beachtenswerten Legatofähigkeiten des Kanadiers, der auch bei Strauss und Wagner ebenso wie im dramatischen französischen Tenorfach der Äneas aus den Troyanern von Berlioz gehört zu seinen Glanzpartien überzeugen kann, ist sein Wagner-Gesang fast von belkantistischer Qualität. Zugleich wird bei ihm die Verzweiflung Siegmunds greifbar, die ihn auf der Suche nach der Waffe überkommt, die ihm sein Vater Wotan einst verhieß. Ebenso verleiht der Tenor seinem Liebesüberschwang in der zarten Lyrik von Winterstürme wichen dem Wonnemond wie der Beinahe-Ekstase in Siegmund heiß ich Gestalt.
Vom Vater Siegmund zum Sohn Siegfried ist es stimmlich zwar ein beachtlicher Weg, Heppner meistert ihn aber ohne hörbare Probleme. Bei den Schmiedeliedern überzeugt nicht allein die Wucht, sondern die genaue Artikulation, wobei ihm Burkhard Ulrich als Mime ein zuverlässiger Partner ist. Der Schmelz für die Waldvogelszene steht ihm ebenso zu Gebote wie er auch die fast panische Furcht gestaltet, die die Überraschung auslöst, dass Brünnhilde kein Mann ist. Einzig bei Brünnhilde, Heilige Braut klingt die Stimme etwas verschleiert.
Für sein Recital hat Heppner mit Peter Schneider, der in diesem Jahr in Bayreuth Tristan und Isolde als Nachfolger des glücklosen Eiji Oue erfolgreich übernommen hat, und der Dresdner Wunderharfe adäquate Partner. Schneider zeichnet in den Tenorszenen, aber auch in Siegfrieds Rheinfahrt und dem Trauermarsch aus der Götterdämmerung ein eher auf Mischklang denn glasklare Analyse ausgelegtes Wagnerbild. Die Tempi sind zumeist breit, aber nie spannungsarm gehalten. Der weiche Streicherglanz des Dresdner Spitzenorchesters wird zudem von der Aufnahmetechnik ebenso wie die sehr guten solistischen Holzbläser gut eingefangen. Schneider lässt das satte Blech der Dresdner wuchtig, aber nie vulgär-vordergründig aufspielen. Wo nötig, gibt Schneider seinen Instrumentalisten zudem genügend Freiraum, dass sich Orchesterpracht entfalten kann. Eine gediegene Wagnersicht, die in Verbindung mit der hervorragenden Tenorleistung über 70 Minuten für pures Hörvergnügen sorgt.
Walter Schneckenburger