Frei, Marco

Beginn einer erfolgreichen Tradition

Das 2. Chordirigierforum des Bayerischen Rundfunks in München

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 12/2007 , Seite 33

„Dieses Angebot ist eine große Bereicherung.“ Für Matthias Beckert steht fest, dass sich die Teilnahme am 2. Chordirigierforum des Bayerischen Rundfunks (BR) rundum gelohnt hat. „Man bekommt Einblicke in den Probenalltag des BR-Chors, vor allem aber ist das unmittelbare Feedback der Chormitglieder äußerst wertvoll. Bei anderen Veranstaltungen dieser Art wird das nicht geboten, dieser Realbezug ist eine sinnvolle Ergänzung des Studiums.“
Beckert weiß, wovon er redet, ist er doch seit 2001 Dozent für Chorleitung an der Musikhochschule Würzburg. Und nun war er einer von insgesamt sechs aktiven Teilnehmern des 2. Chordirigierforums des BR, das vom 8. bis 12. Oktober in München veranstaltet wurde. Sechs weitere Teilnehmer durften die Arbeit kostenlos passiv verfolgen. Das Konzept ist lobenswert: Einerseits sollen Nachwuchstalente gefördert und Möglichkeiten der künstlerischen Weiterentwicklung und Erfahrungssammlung mit einem professionellen Chor geboten werden. Andererseits wird auch eine Lücke geschlossen, denn viele Hochschulen oder ähnliche Ausbildungsstätten ermöglichen kaum Erfahrungen mit Profi-Vokalensembles. Nicht zuletzt jedoch möchte der Chor des BR Dirigenten kennen lernen, denn: „Womöglich bestehen Möglichkeiten einer künftigen Zusammenarbeit für Einstudierungen, Projekte und Konzerte,“ erklärt BR-Chormanagerin Susanne Vongries. Auf Vongries’ Initiative geht das Projekt zurück, schon kurz nach ihrer Anstellung als BR-Chormanagerin 2000 hat sie es vorgeschlagen. „Die Ausbildung zum Chordirigenten soll effektiver gemacht werden.“
Dass dies ernst gemeint ist, zeigte sich schon nach dem 1. Chordirigierforum vor vier Jahren: Mit den damaligen, besonders erfolgreichen Teilnehmern Robert Blank aus Marktoberdorf und Raimund Wippermann aus Essen wird seitdem eng zusammengearbeitet. So studiert Wippermann pro Saison ein Projekt ein, Blank wiederum hat 2006 ein Adventskonzert geleitet. Zudem wurden ihm Einstudierungen für eine CD-Aufnahme mit den Bamberger Symphonikern Anfang November 2007 und für ein Konzert im Rahmen der BR-Reihe „musica viva“ im Februar 2008 anvertraut.
Um so weit zu kommen, muss man allerdings einiges leisten. Zwar sind die Feedbacks der Chormitglieder und des künstlerischen Leiters Gustaf Sjökvist konstruktiv, doch wird Tacheles geredet – Kuschelpädagogik wird hier nicht gepflegt. Diesmal gab es bei den Feedbacks ein Leitthema: Es wurde insbesondere mehr Selbstbewusstsein verlangt. Die Teilnehmer sollten dem Chor auch kontern, strenges und beharrliches Proben kniffliger Stellen wurde eingefordert. Mit halben Ergebnissen könne sich ein Profichor nicht zufrieden geben.
Natürlich ist dies leichter gesagt als getan, denn immerhin handelt es sich um einen Spitzenchor und nicht um ein semiprofessionelles Vokalensemble. Mehrheitlich haben die Teilnehmer noch keine Erfahrungen mit Profi-Vokalensembles machen können. Dass aus Respekt schnell nachgiebiges Kopfnicken wird, ist nur allzu verständlich. Doch vor allem: „Es ist eine neue Erfahrung und ein anderes Arbeiten, wenn man mit einem Ensemble probt, das die Wünsche und Vorstellungen des Dirigenten schnell und effektiv umsetzt,“ stellt Teilnehmerin Maria Benyumova aus Russland fest.
Die zwölf Kandidaten, die auf jeden Fall Erfahrungen mit Chorarbeit mitbringen sollten und von der Jury aus den Bewerbern ausgewählt wurden, zahlen eine Einschreibegebühr von jeweils 180 Euro. Die aktiven Teilnehmer müssen eine zusätzliche Kursgebühr von 100 Euro entrichten. Wer aktiver oder passiver Teilnehmer wird, entscheidet die Jury: Mit einer zehnminütigen Einstudierung eines Wahlstücks für Chor a cappella müssen sich die zwölf Kandidaten behaupten. Auf der diesjährigen Nachbesprechung gab es vonseiten des Chors hier Verbesserungsvorschläge.
So seien zehn Minuten für das Auswahlverfahren zu kurz, außerdem sollten die Stücke vorgegeben werden. Vonseiten der Teilnehmer wurde hingegen ein Workshop-Abschlusskonzert gewünscht. Einen anderen Vorschlag machte eine Oberstudienrätin aus Augsburg, die als Gasthörerin den Workshop begleitet hatte: Der Kurs solle Schulmusikern als Weiterbildung angeboten werden – „grundsätzlich eine gute Idee“, so Vongries. Zudem verriet Vongries, dass das 3. Chordirigierforum des BR womöglich schon 2010 folgen könnte.
Denn letztlich waren sich alle über den großen Erfolg des 2. Chordirigierforums des BR einig. Für Sjökvist stand fest, dass man mit zwei oder drei Teilnehmern in Kontakt treten werde. „Dieser Workshop sollte eine Tradition werden,“ betonten die BR-Chorvorstände Andreas Mogl und Werner Rollenmüller. BR-Hörfunkdirektor Johannes Grotzky sicherte seinerseits Unterstützung nach Kräften zu. Und schließlich ist da das Dirigentenforum des Deutschen Musikrats: Wie Projektleiter Andreas Bausdorf erklärte, wolle man es ab 2008 auf den Chorbereich ausweiten. Hierfür sei auch eine Kooperation mit dem BR-Chor geplant, man führe bereits Gespräche – „Kräfte sollen gebündelt werden“.