Korte, Oliver/Albrecht Riethmüller (Hg.)
Beethovens Orchestermusik und Konzerte
Das Handbuch
Die Musikhandbuch-Reihe bei Laaber stößt im Falle Beethoven an ihre Grenzen. Neben Ludwig van Beethoven. Interpretationen seiner Werke (zwei Bände, 3. Auflage 2009) versucht das Beethoven-Handbuch in vier Bänden Beethovens Kompositionen nach Gattungen sortiert zu erkunden. Dass dies nicht durchgängig gelingen kann, da die Bühnenwerke teils unter die Vokalwerke, teils unter die Orchesterwerke gerechnet werden, beeinträchtigt von vornherein die effiziente Nutzung. Wir finden im vorliegenden Band etwa einen Beitrag zur sogenannten Chorfantasie (deren Gattungsproblematik leider unerörtert bleibt) und der 9. Sinfonie, ebenso die Schauspielmusik zu Egmont, nicht aber jene zu Die Ruinen von Athen oder König Stephan, selbst nur am äußerten Rande zum Ballett Die Geschöpfe des Prometheus. Auch fehlt etwa die orchestrale Gelegenheitsmusik (Tänze, Märsche; Ritterballett) gänzlich.
Leider ist, wie bei Sammelbänden fast unvermeidbar, die Qualität der im vorliegenden Band versammelten 22 Originalbeiträge sowie ihre editorische Betreuung nicht auf ganz einheitlichem Niveau (so findet sich etwa im ganzen Band immer wieder Sinfonie neben Symphonie) wissenschaftlich tiefgründige Analysen stehen neben fast populistisch formulierten und anmutenden Thesen. Als besonders herausragend kann man die Beiträge von Albrecht Riethmüller über die Leonoren-Ouvertüren und von Helmut Loos zu den beiden ersten Sinfonien bezeichnen. Auch die Einführungen in das Konzertleben und den Musikalienmarkt der Zeit von Oliver Vogel, Stefan Weinzierl, Friederike Wißmann und Julia Ronge sind durchaus informativ; und wenn auch abseitig, so sind doch Glenn Stanleys Ausführungen zu Beethovens Instrumentierungstechnik ausgesprochen erhellend. Ausgesprochen spannend auch die Diskussion zwischen Rainer Cadenbach (verstorben am 22. Mai 2008) und Albrecht Riethmüller zur Erkundung des Sinfonischen bei Beethoven. Leider kommen die Konzertwerke Beethovens (in nur zwei Aufsätzen) proportional deutlich zu kurz. Auch hätte man sich eine verstärkte Kontextualisierung von Beethovens Schaffen in der Musik seiner Zeit vorstellen können (Haydn, Cherubini, Pleyel, Clementi, Salieri, Hummel, Schubert und viele mehr).
Als Bonus bietet der Band zwölf Texte herausragender Interpreten oder Komponisten von Liszt bis Boulez, allerdings werden nicht alle fremdsprachigen Texte übersetzt oder in der Originalsprache belassen (Debussy vs. Vaughan Williams), auch bleibt die Kommentierung dürftig. Hier hätte man sich mehr Mut zur Kontextualisierung wünschen können. Erfreulich die sorgfältige Ausstattung und die Register. Insgesamt leider kein gänzlich ausgewogenes Gesamtprodukt, mit einigen Höhepunkten, die aber den hohen Kaufpreis nicht rechtfertigen können. Und hätte man den Band Beethovens Sinfonien, Konzerte und Ouvertüren genannt, er wäre um ein Vielfaches wirkungsvoller.
Jürgen Schaarwächter