Georgy Vasilievich Sviridov
Beethoven Trio Bonn
Mikhail Ovrutsky (Violine), Grigiry Alumyan (Violoncello), Jinsang Lee (Klavier)
Der russische Komponist Georgy Sviridov (1915-1998) ist in Westeuropa, wenn überhaupt, vor allem als Schöpfer von Vokalwerken bekannt, von denen auch einige Einspielungen vorliegen. Zu den Sängern, die sich für sein Schaffen einsetzten, zählt etwa der jüngst verstorbene Bariton Dmitri Hvorostovsky. Mit Instrumentalmusik ist Sviridov jedoch weniger in Erscheinung getreten, und so kommt die vorliegende CD mit dem Beethoven Trio Bonn gerade recht, sich mit der Tonsprache dieses Komponisten einmal näher auseinanderzusetzen.
Sviridov war Schüler Schostakowitschs, bei dem er in Leningrad studierte und dessen Stil ihn deutlich in den Werken seiner frühen Schaffensperiode beeinflusste. Um relativ frühe Werke handelt es sich denn auch bei den eingespielten Kompositionen; Sviridov schrieb sowohl das Klaviertrio als auch das Klavierquintett als Dreißigjähriger im Jahr 1945. Für das Klaviertrio erhielt er 1946 den Stalin-Preis. Deutlich folgt er in dieser Komposition dem Muster des 2. Klaviertrios seines Lehrers Schostakowitsch: Auf einen lyrischen, mit dramatischen Zwischentönen versehenen Kopfsatz folgt ein robustes Scherzo, sodann eine langsame Passacaglia. Beim Finale handelt es sich zwar nicht, wie bei Schostakowitsch, um eine Danse macabre, sondern um ein Idyll, doch die Stimmung ist trotzdem eher melancholisch, und gegen Ende schließt das Mottothema des Werks, das auch im ersten und dritten Satz erklungen war, den formalen Bogen.
Trotz aller Ähnlichkeiten zum Werk seines Lehrers in der Formgestaltung und auch in der eher gedämpften Stimmung spricht Sviridov in diesem Werk doch seine eigene Sprache: weniger sarkastisch, lyrischer, auch gesanglicher und eingängiger; Sviridovs weitere Laufbahn als Vokalkomponist zeichnet sich bereits ab. Das Beethoven Trio Bonn legt hier eine Referenzaufnahme vor, denn überzeugender lässt sich die emotionale Ambivalenz zwischen Lyrik und Tragik nicht darstellen und auch nicht die spezifisch russische Tönung in der Melodik des Werks; zwei der Mitglieder des Trios sind russischer Herkunft.
Im Fall des Klavierquintetts legen die Musiker eine Ersteinspielung vor, verstärkt durch den Geiger Artur Chermonov und den Bratscher Vladimir Babeshko. Das Werk ähnelt dem Klaviertrio im formalen Aufbau, gibt sich allerdings der größeren Besetzung entsprechend robuster und wirkt, obwohl gleich lang wie das Trio, expansiver. Aber auch nach einem beinahe gewalttätigen Höhepunkt kurz vor Ende des Variationen-Finales bevorzugt Sviridov eine beruhigte, dunkel-melancholische Schlussgestaltung.
Als Zugabe bietet diese rundum gelungene CD eines der in Russland beliebtesten Stücke Sviridovs: die Romanze aus seiner Musik zu dem Film Der Schneesturm nach Puschkin arrangiert für Klaviertrio von Mikhail Ovrutsky. Mag diese Musik für westliche Ohren auch etwas sentimental klingen, so lädt die Melodie, bei passender Stimmung, regelrecht zum Mitsingen ein ein Beweis für Sviridovs Qualitäten auf dem Gebiet der Vokalmusik.
Thomas Schulz