Bass Clarinet

Werke von Iris ter Shiphorst, Bernhard Lang, Michael Gordy, Daniel Smutny u. a.

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Günter Hänssler PH 06018
erschienen in: das Orchester 11/2006 , Seite 99

Wie schon der Titel Bass Clarinet vermuten lässt, steht das tiefe Holzblasinstrument hier im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens. Mit einer Reihe gleichermaßen reizvoller wie anspruchsvoller zeitgenössischer Werke stellt Volker Hemken, der seit 1992 Solo-Bassklarinettist des Gewandhausorchesters Leipzig ist, sein Instrument vor.
Iris ter Schiphorsts Hi Bill! ist „eine kleine Hommage an unzählige Stunden in verrauchten Clubs und Übungskellern“. Das rhythmisch-melodische Kraftfeld wird hier mit Schreien, Singen, Zischen und Klappengeräuschen bereichert, die sehr jazzige Impressionen wachrufen. Man fühlt sich nicht selten an die Improvisationen von Eric Dolphy erinnert.
Tales of Oceans and Duke von Volker Hemken und Bernhard Lang wirkt wie ein Zwiegespräch des Solisten mit sich selbst. Zum Spiel des Klarinettisten erklingen Melodiefragmente und verschiedene Geräusche vom Band, die manchmal einem Echo, dann wieder einer Rhapsodie gleichen. Klangschön und ausdrucksstark entfaltet sich Volker Hemkens Spiel, sodass der Hörer von der zarten Elegie bis zum wütenden Ausbruch sämtliche Gefühlsebenen durchleben kann. David Langs Presseerklärung (vom 24. Dezember 1991) ist ganz vom rhythmischen Element durchdrungen und man glaubt, das Setzen der Buchstaben förmlich zu hören.
Yatz Hatz von Steffen Schleiermacher ist ein seltenes Duo: In der ungewöhnlichen Kombination von Bassklarinette und E-Bass mischen und ergänzen sich die Farben der beiden Tieftöner äußerst wohlklingend. Eher beunruhigend wirkt hingegen SIFR für Bassklarinette und Sampler von Ernst Bechert. Diese Atmosphäre wird mithilfe zweier Stimmen vom Band kreiert, die Zahlencodes in fremden Sprachen nahezu mechanisch ansagen. Die Bassklarinette nimmt den Dialog auf und verstärkt diese Stimmung mit Nachdruck.
Michael Gordons The Low Quartet „for any 4 low instruments“ gibt den sonst für den harmonischen Unterbau zuständigen Bässen die Möglichkeit, sämtliche Nuancen ihres reichen Ausdrucksvermögens zum Vorschein zu bringen. Äußerst kraftvoll und mit nicht nur einer Brise Humor bewegen sich Bassklarinette(n) und Kontrabassklarinette tanzend und marschierend in diesem „tiefen“ Quartett.
Aus über drei Stunden Tonmaterial stellte Daniel Smutny das knapp 25-minütige Stück White Trees zusammen, in dem sich Versatzstücke aus alten Filmmusiken und Improvisationen mit der Bassklarinette zu einem reichhaltigen Spektrum verschiedener Stimmungen vereinen. „In the Basement“ aus dem Musiktheaterstück Schwarz auf Weiß von Heiner Goebbels zeigt die Balance zwischen den Polen Schwere und Leichtigkeit, Schönheit und Grauen. Spannungsvoll wird der krasse Gegensatz durch die eher unscheinbaren Töne und Akkorde des Cymbalons gegenüber der spielerischen, quasi-improvisatorischen Melodielinie der Bassklarinette eindrucksvoll dargestellt.
Das Bild der stürmischen Umarmung von Proëza und ihrem Geliebten Rodrigo aus Paul Claudels Le soulier de Satin ist die Idee, aus der Pierre Boulez den Dialogue de l’ombre double entwickelt. Der Solist steht in der Mitte des Saales und dialogisiert mit sich selbst, während zuvor eingespielte Melodiefetzen aus kreisförmig angeordneten Lautsprechern intervallartig auf ihn zukommen.
Ein Bonbon ist, dass der Datenträger neben der Audio-CD auch eine SACD enthält. Die Kompositionen von Iris ter Schiphorst, Ernst Bechert, Daniel Smutny, Michael Gordon, Heiner Goebbels und Pierre Boulez sind hier noch einmal in der höheren digitalen Auflösung und im Surround Sound zu hören, wodurch sie besonders plastisch wirken. Virtuos und mit großer Sensibilität bringt Volker Hemken das klanglich reiche Vokabular der Bassklarinette in diesen so unterschiedlichen Kompositionen zu Gehör, auch nach mehrmaligem Anhören meint man immer wieder neue Nuancen zu entdecken.
Juliane Bally