Monteverdi, Ufkî, Caccini, Celebi

Baroque Oriental

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics 0300275BC
erschienen in: das Orchester 01/2013 , Seite 71

Der Dialog zwischen Musikkulturen ganz unterschiedlicher Art ist keine Erfindung unserer Tage, sondern hat eine lange Tradition. Legendär ist zum Beispiel die türkische Musik bei Mozart, nicht nur in der Entführung, oder am Ende der Neunten von Beethoven. Da ist es ein legitimes und reizvolles Unterfangen, auch die europäische Musik der Barockzeit, die – etwa in französischen Balletten – sich gerne in exotischen Räumen bewegte, einmal in Beziehung zu der Klangwelt des Orients zu setzen.
Die vorliegende Einspielung des von Mehmet C. Ye?ilçay geleiteten Pera Ensembles greift Gesangsstücke des Frühbarocks und frühe Opernszenen auf, um ihnen ein türkisches Klanggewand zu geben und eine Brücke zu schlagen zu türkischer Hofmusik des 17. Jahrhunderts. In der spielt mit dem als Wojciech Bobowski in Galizien geborenen Ali Ufkî ein aus dem alten Europa stammender Musiker eine gewichtige Rolle, was eine zusätzliche Linie aufzeigt. Im Übrigen schließt ja Monteverdis L’Orfeo auch mit exotischer Musik, mit einer Moresca, einem „Mohrentanz“.
Da die Musik noch des frühen 17. Jahrhunderts in ihrer instrumentalen Fassung ja keineswegs immer streng festgelegt ist, zudem Improvisation ein prägendes Element der europäischen Barockmusik und der türkischen Musikkultur darstellt, klappt der Dialog, wie er in der vorliegenden Aufnahme geführt wird, ganz ausgezeichnet. Die Improvisationen auf dieser CD sind dabei allesamt sehr originell und stimmungsvoll. Nichts erscheint bei diesem Projekt gewollt und konstruiert, nicht geschmäcklerisch oder künstlich. Der Klang der türkischen Instrumente schafft eine eigene, aber immer schlüssige und passende Farbe. Die rhythmische Kraft und der tänzerische Schwung der Musik beider Welten kommen mitreißend zur Wirkung.
Die Auswahl der Stücke ist superb, denn es werden mit Caccinis Dalla porta d’oriente oder Monteverdis Solo-Madrigal La mia turca auch Nummern gesungen, die im Text ausdrücklich auf die Begegnung Orient-Okzident anspielen – und die in der hier eingesetzten Klanglichkeit gleichsam eine besondere Authentizität gewinnen.
Dass dieses Programm überhaupt von der ersten Sekunde an fesselt, liegt nicht zuletzt an der spielerischen Brillanz des Pera Ensembles. Und am hinreißenden Gesang des jungen rumänischen Countertenors Valer Barna-Sabadus, der längst zu den profilierten Sängern in seinem Fach gehört – und der sich in einem Stück von Ali Ufkî auch im türkischen Stil bestens bewährt. Die Einspielung bringt zum anderen die interessante Begegnung mit bei uns kaum bekannter türkischer Musik, zum anderen lässt sie ein apartes europäisches Repertoire noch etwas aparter erleben. Ein Gewinn!
Karl Georg Berg