Mönkemeyer, Nils

Bach und mehr

2 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical 88765434782
erschienen in: das Orchester 06/2013 , Seite 71

Unter den jüngeren Klassikstars finden sich nicht wenige, die erfolgreich Werbestrategien der Popmusik adaptieren und somit, beabsichtigt oder nicht, einen neuen Diskurs über die Rolle des Interpreten eröffnen. Zu diesen zählt der Bratschist Nils Mönkemeyer, ein eminent begabter Musiker, dessen künstlerische Integrität nicht dem geringsten Zweifel unterliegt. Gleichwohl, Mönkemeyer veröffentlicht „Mönkemeyer-Alben“: Werke verschiedener Komponisten werden durch ein lockeres Motto zusammengehalten, stets jedoch bilden der großgedruckte Namenszug des Interpreten sowie sein inszeniertes Konterfei die Hauptanziehungspunkte. Auch im Fall der neu erschienenen Doppel-CD Bach und mehr ist dies nicht anders: Allein neun der zwanzig Bookletseiten zeigen Küstenlandschaften (Bach und „Meer“??) und darin zumeist den Solisten als Wattwanderer, die Bratsche hoch im Trockenen haltend, und selbst der Herstellername von Mönkemeyers ökologisch einwandfreiem, teils von Meerwasser heimgesuchtem Zwirn bleibt nicht unerwähnt.
Dies alles ist keineswegs verboten, sondern zeugt von gewieftem Marketing angesichts eines erodierenden CD-Markts und zurückgehender Besucherzahlen im Konzertsaal. Und da wir es mit gleichermaßen inspirierten wie technisch glänzend vorgetragenen Interpretationen zu tun haben, mag Mönkemeyer nasse Füße bekommen, so lange er mag.
CD I enthält Bachs Solosuiten für Cello Nr. 1, 2 und 3 in einer tongetreuen Adaption für Bratsche. Was dürfen wir am meisten bewundern? Die Leichtigkeit, mit der Mönkemeyer Allemande, Courante & Co aus dem Geist des Tanzes heraus formt? Die Richtigkeit der Phrasierung bei gleichzeitiger herrlicher Sonorität auch der weniger betonten Noten? Die schlüssige Verbindung von Tanz, Rhetorik und vokaler Linienführung? Die Treffsicherheit im Aufspüren der Charakteristik eines jeden Werks? Oder schlicht das Klangerlebnis seines leuchtenden Bratschenspiels?
Angeregt von Bachs Suiten wurden vier zeitgenössische Komponisten, deren Werke auf CD II zu hören sind. Pendereckis Sarabande – ein Nachfahre barocker Lamento-Sätze mit chromatisch absteigender Motivik – entstand im Auftrag des Bashmet-Wettbewerbs, den Mönkemeyer gewann. Die drei anderen Kompositionen gehen auf Aufträge des Interpreten zurück. Um Neue Musik im emphatischen Sinne handelt es sich indes nicht. Am ehesten kann Sally Beamishs Ariel überzeugen: ein Monolog, der offensichtlich auch dem Shakespeare’schen Luftgeist nachspürt und vom Interpreten Beweglichkeit und Farbensinn einfordert. Konstantia Gourzis Nine Lullabies entfaltet eine sehr einfache, auf Bordunklängen beruhende Struktur, die – so der Interpret – auf das Präludium der Bach’schen G-Dur-Suite verweist. Schließlich Marco Hertensteins Luce morenda, eine Komposition, die an Bachs unvollendete Kunst der Fuge gemahnt, dies jedoch durchweg im Neo-Schostakowitsch-Stil tarnt. Wie gern vernähmen wir von diesem großartigen Bratschisten einmal Bernd Alois Zimmermanns Sonate!

Gerhard Anders