Ay, amor
Von Liebe, Sehnsucht und Leidenschaft
Freunde spanischer Vokalmusik kommen bei dieser CD mit 30 Titeln und knapp 80 Minuten Musik auf ihre Kosten. Das Berliner Duo Arcadie in der aparten Besetzung Gesang und Gitarre macht sich dabei um zahlreiche Repertoire-Neuheiten verdient.
Neun Sephardische Lieder, also Musik spanischstämmiger Juden, deren Vorfahren um 1500 von der iberischen Halbinsel vertrieben wurden, bilden in der geschmackvollen Bearbeitung der Gitarristin Ulrike Merk einen Schwerpunkt der CD. Auch die sieben Alten spanischen Lieder des im Spanischen Bürgerkrieg umgekommenen Dichters Federico García Lorca dürften für manchen Musikfreund eine wertvolle Entdeckung sein; denn nur wenige wissen, dass Lorca als junger Mann zunächst eine Pianistenlaufbahn einschlagen wollte. Die hier vorgelegten Lorca-Lieder sind einer Schellackplatte abgelauscht, auf der Lorca am Klavier die Sängerin La Argentinita begleitet. Weitere Lieder von Juan Vásquez und Luys de Narváez aus dem 16. Jahrhundert sowie von Joaquín Rodrigo aus dem 20. Jahrhundert belegen ebenso wie zwei Stücke für Gitarre solo von Federico Mompou und Antonio Ruiz-Pipó alles in allem eine erstaunliche Kontinuität des typisch spanisch-folkloristischen Musikkolorits bis hin, das sei auch nicht verschwiegen, zum gelegentlichen Eindruck der Gleichförmigkeit.
Die Mezzosopranistin Franziska Markowitsch singt die Lieder mit ansprechendem Timbre, niemals forcierter Stimmgebung und lupenreiner Intonation. Sie versteht es, die Grenzlinie zu flamenco-typischer Artikulation nirgends zu überschreiten, so sehr manche melodische und rhythmische Wendung dazu auch verleiten könnte. Ihre Gitarrenpartnerin Ulrike Merk wahrt ebenfalls immer einen klassischen, kammermusikalischen Rahmen ohne vordergründige Effekte.
Ein Prüfstein besonderer Art ist, schon wegen ihrer Bekanntheit, Manuel de Fallas Suite der Sieben spanischen Volkslieder, hier in der gitarrenbegleiteten Version von Miguel Llobet. In diesen Stücken würde man sich von beiden Interpretinnen deutlich mehr Temperament, konkret: mehr Mut zu Tempo-, Dynamik- und Ausdruckskontrasten wünschen. Die Jota kommt merkwürdig gestaut daher, auch der Suite wie CD abschließende Polo hat nicht die (notwendige) Durchschlagskraft, wie man sie von zahlreichen anderen Interpretationen, auch rein instrumentalen, her kennt. Asturiana und Nana, musikalisch wie textlich eigentlich hochdifferenzierte Kleinodien im Pianissimo-Bereich, klingen sogar recht bieder.
Mustergültig ist hingegen die Booklet-Aufbereitung mit Ulrike Merks kompetenter Einführung in die Grundzüge spanischer Musikgeschichte, kurzen Charakterisierungen jedes einzelnen Liedes sowie einer kompletten Textversion.
Rainer Klaas