Scherz-Schade, Sven

Aus Respekt vor den Opfern

Israel und das Wagner-Tabu

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: das Orchester 12/2011 , Seite 30
Deutschlands Opernpublikum schenkt Richard Wagners Antisemitismus eigentlich wenig Beachtung. Oftmals wissen nur Kenner, dass Wagner seinerzeit aberwitzige, rassistische Hetze gegen jüdische Musik und jüdische Komponisten betrieb. Das ist in Israel anders. Zwar wissen auch hier nur wirklich Interessierte, was den Meister aus Bayreuth zu einem so beklemmenden und problematischen Fall gemacht hat. Aber in Israel gilt seit 1938 ein Tabu: Wagners Musik wird nicht gespielt. So beschloss es das damalig Palestine Symphony Orchestra, das heutige Israel Philharmonic Orchestra (IPO), nach den Novemberpogromen der "Reichskristallnacht". Aus Respekt gegenüber den Holocaust-Opfern hält sich das Orchester bis heute daran. Doch immer mehr israelische Musiker – vor allem jüngere – beginnen, das Tabu zu hinterfragen.