Edvard Grieg

Aus Holbergs Zeit op. 40

für Streichorchester, neue Urtext-Ausgabe, hg. von Christoph Rinne-Schroeder, Partitur

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel
erschienen in: das Orchester 6/2023 , Seite 66

Als „Perückenstück“ hatte Edvard Grieg einst sein fünfsätziges, rasch berühmt und sehr populär gewordenes Opus gegenüber seinem Verleger Max Abraham bezeichnet. Jedoch klingt es in Wahrheit überhaupt nicht verzopft und die Äußerung bezieht sich wohl lediglich auf die althergebrachten Satztitel. Da sich 1884 der 100. Geburtstag des norwegisch-dänischen Dichters Ludvig Holberg jährte, erhielt Grieg von der Stadt Bergen den Auftrag, eine festliche Kantate zu komponieren. Davor war jedoch bereits eine Suite für Klavier „im alten Stil“ entstanden. Beide Werke wurden während der Feierlichkeiten zum Jubiläum aufgeführt. In der Suite verband Grieg barocke Formen mit seiner individuellen Tonsprache. Im Winter 1885, so schreibt er an seinen Freund Julius Röntgen, habe er sie „für Streichorchester gesetzt“. Das Werk wurde eines seiner populärsten überhaupt.
Diese an sich bekannten Informationen zum Werk und noch einiges mehr über die unkomplizierte Entstehungs- und spannend zu lesende Rezeptionsgeschichte kann man im deutsch-englischen, mit zahlreichen Fußnoten und Verweisen versehenen Vorwort der neu aufgelegten Partitur nachlesen, die der Verlag Bärenreiter als kritische Urtextausgabe von Christoph Rinne-Schroeder als verantwortlich Zeichnendem jüngst herausgab.
Hierbei benutzte der Herausgeber zunächst den bei C. F. Peters erschienenen Erstdruck der Partitur und der Stimmen und wertete ferner „eine eingerichtete Partitur aus Griegs Privatbesitz sowie ein dazugehöriges Aufführungsmaterial“ aus, welches sich inzwischen in der „Offentlige Bibliotek“ in Bergen befindet. Von diesem erstmals gesichteten Material ist nicht ganz geklärt, ob Grieg es für Konzerte in Kopenhagen, die zwischen 1889 und 1895 stattfanden, gebrauchte. Dieses besäße nach den Worten des Herausgebers „auch deswegen eine besondere Bedeutung, da es zu Lebzeiten des Komponisten keinerlei korrigierte Neuauflagen gab“. Das macht vorliegende Notenausgabe umso bemerkenswerter, authentischer und auch wertvoller, weil Christoph Rinne-Schroeder nun die Eintragungen Griegs erstmals vollständig einarbeitete, „sodass der Notentext dem entspricht, was Grieg tatsächlich musizieren ließ“. Hervorzuheben ist dabei die Sarabande: Hier weise das Aufführungsmaterial, T. 17–22, den Part des höchsten Solocellos einer Soloviola zu. Jener Stimme lag ein eigens angefertigter Zettel mit entsprechenden Takten bei. Der Herausgeber berücksichtigte die Lesart mit einer Kleinstich-Notierung dieser sechs Takte im System der Bratschen. Weitere Änderungen sind im Kritischen Bericht zusammengefasst – er folgt auf den vorbildlich klaren sowie bestens zu lesenden Notentext, der Platz lässt für eigene Eintragungen.

Werner Bodendorff

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