Dvorák, Antonín

Aus der neuen Welt

Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 / Tschechische Suite D-Dur op. 39

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 87105?
erschienen in: das Orchester 05/2008 , Seite 62

Mit dem in Leipzig ansässigen Label Genuin nahm die Württembergische Philharmonie Reutlingen unter der Leitung von John Axelrod zwei berühmte Werke tschechischer Nationalmusik auf: Dvoráks Tschechische Suite und dessen letzte Sinfonie. Es fängt auch ganz gut an, obwohl schon anfangs sich eine gewisse Schwerfälligkeit breit macht und bis auf die Flöten die Holzbläser manchmal etwas in den Hintergrund geraten – etwas störend vielleicht das vom Nachhall erzeugte Echo der Akkordschläge an den jeweiligen Fortissimo-Enden. Im langsamen Satz der Sinfonie freut sich nicht nur jeder Dvor?ák-Kenner auf das breite und eigentlich traumschöne Englischhorn-Solo, welches jedoch wenig überzeuge. Bei aller Liebe zu einem feinen und subtilen, künstlerisch freien „Tempo rubato“ des Dirigenten – obwohl dies freilich nicht in den Noten steht, sondern lediglich ein „Largo“ mit q = 52 notiert ist – erscheinen hier die Temposchwankungen unangemessen und irritierend. Erst nach 46 Takten ist mit „un poco più mosso“ etwas mehr Bewegung gefragt. Außerdem bringen zu Beginn dieses Satzes den Hörer die aus dem Metrum laufenden Atemlöcher im Blech aus der Fassung, da die Noten zwar bis zuletzt ausgehalten werden, aber zum eigentlichen Punkt der schweren Zählzeit zu spät angeblasen wird.
Obwohl im Scherzo tänzerische Leichtigkeit herrscht, variiert auch im letzten Satz das Tempo störend – wie innerhalb des Dialogs Klarinette/ Violoncello, T. 66 ff., so als ob eine tiefe Kluft zwischen Bläsern und Streichern herrschen oder einfach die richtige Abstimmung fehlen würde. Auch einige Details und die innere Klangbalance scheinen vom Dirigenten John Axelrod nicht immer fein herausgearbeitet worden zu sein, wie das kaum hörbare Fagott-Solo in T. 227 (IV. Satz) oder die manchmal kaum wahrnehmbare Klarinette. Enttäuschend die unpräzis tremolierten Achtelnoten der Violoncelli im langsamen Satz zwischen den Takten 79 und 86, die lediglich als bequemer zu spielende Pizzicati zu hören sind. Auch aufnahmetechnisch hätte man mehr „herausholen“ oder Unebenheiten wie besagte fatale Echowirkungen herausfiltern können. Insgesamt wirkt die Sinfonie etwas unruhig, klanglich zeitweise inhomogen und beim Orchester selbst vermisst man eine gewisse Gelassenheit und Souveränität im Spiel. Da kommt man schon ins Grübeln, warum das Ensemble bei den -zig Aufnahmen von Weltrang ausgerechnet dieses herrliche Werk einspielen wollte, obgleich es mit jenen nicht ganz mithalten kann.
Den Musikern besser zu liegen scheint die fünfsätzige Tschechische Suite, welche von der Württembergischen Philharmonie leicht und präziser interpretiert wird, obwohl eine abgespecktere Version mit weniger Instrumentalisten gerade mit Blick auf das zu massige Finale nicht schlecht gewesen wäre.
Werner Bodendorff