Andre, Mark

… auf…

Triptych for large orchestra. SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Experimentalstudio des SWR Freiburg, Ltg. Sylvain Cambreling

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Wergo WER 7322 2
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 81

Es heißt, in diesen drei Kompositionen – wie in einem Großteil seines Schaffens – ginge es Mark Andre darum, das „Dazwischen“ in den Mittelpunkt zu stellen. Er habe dies im Titel dargestellt durch das kleine Wörtchen …auf… Die Besetzung in den Teilen 1 und 2 ist identisch; Teil 3 verteilt sechs Schlagzeuger um das Konzertpublikum und arbeitet mit Live-Elektronik. Diese drei zwischen 2005 und 2007 entstandenen eigenständigen Orchesterwerke bilden gemeinsam einen Zyklus, der, so heißt es auf der Website seines Managements, „die Suche nach Resonanzen und nach Übergängen beschreibt“. Doch diese Suche erweist sich zunächst als etwas mühsam und keineswegs ergiebig.
Das Material aller drei Orchesterwerke hat seinen Ursprung in den Klangexperimenten der Spektralisten: tiefe, lange Liegetöne, aus denen nach und nach Obertöne hervortreten, dann wieder rasch aufeinander folgende metallische Geräusche, dazwischen Stille. Die Instrumentenbehandlung – Kratzgeräusche bei den Streichern, Blasgeräusche und Überblasen bei Posaune, Flöte und Co. – verweist eindeutig auf Mark Andres Lehrer Helmut Lachenmann.
Doch völlig unvermutet bewahrheitet sich jene Weisheit, wonach der Weg das Ziel ist, denn der Hörer dieser CD wird Zeuge einer ganz anderen Entwicklung – nämlich derjenigen des künstlerischen Schaffens an sich: Sind die Teile 1 und 2 nur mühsam auszuhalten, weil hier die unterschiedlichsten Klänge, Techniken zur Klangerzeugung und Obertonspektren ohne sinnfällige Bedeutung aneinandergereiht wurden, so offenbart sich im dritten Teil gleichsam eine Klangwelt, in die man ohne Zögern einzutauchen bereit ist. Ausschlaggebend ist dabei weniger die Erweiterung der Klangerzeugung und -steuerung durch den Computer als vielmehr die Tatsache, dass hier ein überschaubares Klangspektrum gewählt wurde.
Es finden sich wiedererkennbare Strukturen, und jede Abwandlung kann hörbar erkannt und nachvollzogen werden.
Durch diese spielerische Variation und die rhythmisch wie klangtechnisch musikalisierte Behandlung der Elemente entsteht tatsächlich Musik. Es stimmt, dass Musik keine Melodie braucht, um Musik zu sein. Aber auf keinen Fall ist sie eine Ansammlung von Übergängen, von Zuständen zwischen den Zuständen oder was man noch so alles vermeintlich Sinnstiftendes über …auf… I und …auf… II geschrieben hat. Bei der Entstehung von …auf… III waren einige Mitarbeiter des Freiburger Experimentalstudios – selbst anerkannte Komponisten – beteiligt. Bei der gemeinsamen Arbeit im Studio wird es bestimmt auch zum Austausch über das ein oder andere kompositorische Problem gekommen sein. Und dieses „Dazwischen“ hat der Musik sehr gut getan!
Sibylle Kayser