Orff, Carl

Astutuli

Eine bairische Komödie

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: B.O.A. Videofilmkunst/Wergo MV 8525
erschienen in: das Orchester 05/2010 , Seite 75

Die Überraschung in dieser rundum gelungenen DVD-Bühnenproduktion aus dem Kloster Andechs ist sicher Fernsehmoderator Michael Schanze. Er spielt den Gagler in Carl Orffs „bairischer Komödie“ Astutuli engagiert und mit plastischer Mimik. Dieser Schauspieler und Gaukler mit teuflischen Zügen verführt die Bewohner eines kleinen Orts. Er zieht ihnen die Kleider aus und beraubt sie ihres Geldes. Das alles geben sie freiwillig, denn er macht ihnen dafür große Versprechungen. Vom Schlaraffenland und verheißendem Reichtum geblendet, werden sie um ihr letztes Hab und Gut gebracht.
Das 1945/46 entstandene Schauspiel in rhythmischem Sprechgesang ist zugleich Posse und Welttheater. Dem Chor kommt nach griechischem Vorbild eine tragende Rolle zu. Zu den Schlagwerkklängen des kleinen
Ensembles darf er sich agil auf der Bühne bewegen. Er kommentiert die Handlung und ist zugleich Betroffener. Bei der Uraufführung 1953 bei den Münchner Kammerspielen soll vor allem die „Publikumsbeschimpfung“ für Aufsehen gesorgt haben: In ihrer Not wenden sich die Dorfbewohner an das Publikum, die doch die ganze Zeit über die Figuren und ihre Dummheit gelacht haben. Hingucken und nicht Eingreifen, diese passive Haltung wird dem Zuschauer nun vorgehalten. Und sicher mögen Orffs Erfahrungen im „Dritten Reich“ dabei eine Rolle gespielt haben.
In Hellmuth Matiaseks Inszenierung ist dieser historische Aspekt ausgeblendet. Er entwickelt die Story in einem hölzern eingekleideten, neutralen Amphitheater. Wenig Licht und Effekte werden genutzt. Das Stück lebt von der holzschnittartig herausgearbeiteten Gestik und Sprache aller Beteiligten. Der von Orff verlangte Sprechgesang wird kraftvoll umgesetzt. Besonders gelungen sind auch die bewegten Gruppenszenen, etwa wenn die bis auf ihre weiße Unterwäsche Entkleideten tanzen. An keiner Stelle wird das Stück allzu volkstümlich gemütlich oder gar platt. Überall steht die Botschaft im Vordergrund, so in der „Wissenschafts-Fuge“ durch alle Darsteller und Choristen. Die anspruchsvolle Rolle des Chors mag die seltenen Aufführungen erklären. Dass die DVD sogar deutsche Untertitel zur bayerischen Inszenierung bietet, ist ein netter Zusatz. Aber auch ohne „Übersetzung“ ist die Sprache verständlich.
Winfried Hübner als Bürgermeister sowie die zwei wendigen Landstreicher Christoph Gehr und Michael Schlenger sind weitere Glanzpunkte dieser Produktion aus dem Florian-Stadl des Klosters Andechs. Dort finden, in Nachbarschaft zum Grab des Komponisten, seit 1998 Orff-Festspiele statt. Die Junge Münchner Philharmonie unter Mark Mast musiziert souverän, ist allerdings klanglich etwas dumpf abgebildet. Zu bemängeln ist an einigen Stellen auch eine nicht immer geschmeidige Kameraführung/Schnitttechnik.
Matthias Corvin